Nachwuchskoordinator Sommerfeld: „Erfolg ist kein Zufallsprodukt“
18.08.2014 U21 männlich

Nachwuchskoordinator Sommerfeld: „Erfolg ist kein Zufallsprodukt“

18.08.2014 · Home, Nationalteams, Junioren Nationalteam, Jugend männlich Nationalteam · Von: BP

Nachwuchskoordinator Sommerfeld: „Erfolg ist kein Zufallsprodukt“

Als Co-Trainer von Martin Heuberger war Wolfgang Sommerfeld an zahlreichen Titeln und Medaillen mit den DHB-Junioren beteiligt, seit 2013 ist der Ulmer auch Nachwuchskoordinator für den männlichen Nachwuchs des Deutschen Handballbundes. Zudem ist Sommerfeld seit 2012 Leiter des DHB-Elitekaders, zu dem derzeit 13 Spieler zählen - darunter acht, die Anfang August in Österreich U20-Europameister geworden sind. Natürlich war der langjährige Trainer dort vor Ort - und ist es derzeit in Polen, wo die deutsche U18 nach drei Vorrundensiegen in drei Spielen am Dienstag (17 Uhr) in ihrem ersten Hauptrundenspiel auf Ungarn trifft. Gewinnt die DHB-Auswahl, ist das Tor zum Halbfinale weit offen - entschieden wird das Weiterkommen aber wohl erst mit dem letzten Hauptrundenspiel gegen Frankreich am Mittwoch (ebenfalls 17 Uhr und unter im Livestream).

Im Interview zieht Sommerfeld eine Zwischenbilanz der U18-Europameisterschaft, spricht aber auch generell über das Thema Nachwuchsförderung - und die Chance der Talente, später in der Bundesliga und der Männer-Nationalmannschaft Fuß zu fassen.

 

Drei Siege in drei Spielen - hatten Sie mit diesem erfolgreichen Start der U18 in Polen gerechnet?
Sommerfeld: Die Mannschaft hat mich positiv überrascht. Vor dem Turnier hatte ich leichte Bauchschmerzen, aber das Auftaktspiel gegen Gastgeber Polen war dann äußerst positiv. Ich denke, die Mannschaft hat ein Spiel abgeliefert, wie sie es vorher noch nie getan hatte. Sie hat keinen Zweifel über den Sieger aufkommen lassen, trotz voller Halle. Dieser Start war ein toller Schub für die weiteren Spiele - und die hat die Mannschaft gegen Gegner, die ihr nicht das Wasser reichen konnten, souverän gewonnen.

Für das U18-Team ist es das erste große Turnier ihrer Laufbahn - angesichts des bisherigen Abschneidens müssten Sie zufrieden sein?
Sommerfeld: Auf jeden Fall, wir haben zwei Punkte in die Hauptrunde mitgenommen - stehen jetzt aber gegen die starken Mannschaften aus Ungarn und Frankreich vor schweren Spielen. Wir müssen mindestens ein Spiel - am besten das gegen Frankreich gewinnen - um ins Halbfinale einzuziehen. Aber die Mannschaft hat mit dem Einzug in die Hauptrunde - und dies mit einer weißen Weste - ihr erstes Ziel erreicht, jetzt wachsen mit jeder Partie der Druck und die Belastung. Aber nur in solchen Partien lernen die Spieler, was für ihre Weiterentwicklung wichtig ist.

Was steht für Ihre Arbeit bei einer solchen EM im Vordergrund: die nackten Zahlen, sprich Resultate, oder die Weiterentwicklung der Spieler?
Sommerfeld: Ganz klar der Lernprozess. Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam mit den Vereinen Spieler für die Bundesliga und das Männer-Nationalteam zu entwickeln. Dieses Ziel stand schon während meiner Arbeit mit Martin Heuberger immer im Vordergrund. Und wir haben in all’ den Jahren eines erkannt: Ab dem Halbfinale bei einer Nachwuchs-EM oder -WM setzt ein enormer Entwicklungssprung ein. Da müssen die jungen Spieler durch, und das formt sie ungemein. Das ist eine andere Situation als im Verein: Wenn es dort brenzlig wird, müssen sie vom Feld, dann übernehmen Ältere die Verantwortung, in den Nachwuchs-Nationalmannschaften müssen sie ihren Mann stehen. Mir haben schon viele Eltern gesagt, dass sie ihre Söhne in Halbfinals oder Endspielen nicht mehr wiedererkannt hätten, sie waren sportlich und persönlich unwahrscheinlich gereift. Wir hatten Jahrgänge, die nie ein Halbfinale oder Finale gespielt haben, und da merkt man deutlich, dass sich diese Spieler einfach nicht so entwickelt haben. Diese Erfahrung von entscheidenden Partien unterstützt die Spieler ungemein in ihrer Entwicklung.

Die aktuelle U20 hat diese Erfahrungen schon häufiger gemacht - zuletzt im siegreichen EM-Finale gegen Schweden. Diese Mannschaft ist so etwas wie ein Vorzeigeteam, oder?
Sommerfeld: Dieser Jahrgang hat unglaublich hohe individuelle Qualitäten, was die Einzelspieler betrifft, von denen acht in unserer Eliteförderung sind. Die Mannschaft war und ist - das hat die EM gezeigt - unschlagbar. Ohne zu übertreiben hätten wir auch vier Spieler des All-Star-Teams stellen können, in diesen Jahrgängen sind wir extrem gut aufgestellt. Aus dieser Mannschaft werden viele den Sprung in die B- und die A-Nationalmannschaft schaffen. Genauer gesagt haben ja schon einige Führungsrollen in der B-Mannschaft übernommen, sieben dieser acht spielen in der 1. Liga, einer in der 2. Liga. In den nächsten Jahren werden sie für Neu-Bundestrainer Dagur Sigurdsson interessant werden, der ja betont hat, auf junge Spieler zu setzen.

Seit 2012 gibt es die DHB-Eliteförderung. Wie bewerten Sie die Kooperation mit Vereinen, Schulen, Universitäten und Arbeitgebern als DHB-Mentor?
Sommerfeld: Derzeit sind 13 Spieler im Elitekader - und deren Entwicklung in allen Bereichen zeigt klar nach oben. Die Vernetzung aus Leistungssport, Schule, Studium und Beruf funktioniert bestens. Zum Beispiel besorgen wir über Sponsoren Praktikumsplätze, ich stehe in Kontakt mit Universitäten, die ein auf Leistungssport zugeschnittenes Studium anbieten, ich beaufsichtige auch schon einmal Prüfungen, sollten sie in Lehrgangszeiträume fallen, und so weiter. Insgesamt hat sich das Konzept der Laufbahnberatung durchgesetzt. Früher war vieles auf Zufall aufgebaut, je nachdem, bei welchem Verein die Spieler waren, heute läuft das Zusammenarbeit mit allen Beteiligten sehr strukturiert und erfolgreich ab. Und das Wichtigste, wenn man sich acht U20-Spieler aus dem Elitekader anschaut: Sie haben in ihren Vereinen reelle Chancen auf viele Spielanteile.

In diesem Zusammenhang wird seit vielen Jahren das Problem der Anschlussförderung diskutiert - als Junior äußerst erfolgreich, im Erwachsenenbereich im Verein aber selten eingesetzt. Wie sehen Sie den aktuellen Stand der Dinge?
Sommerfeld: Durch die Begleitung durch den DHB und die Kooperation der Vereine läuft das sehr positiv. Die Entwicklung unserer Nachwuchsspieler ist kein Zufallsprodukt, sie wurden durch ihre Leistungen für Bundesligisten interessant. Sie werden dort gefordert und gefördert, denn in nicht wenigen Fällen haben die Vereine die optimalen Rahmenbedingungen geschaffen. Früher war es vielleicht so, dass junge Spieler am Wochenende keine Sekunde auf dem Feld waren, dann aber montags am Regenerationstraining teilnehmen mussten. Heute ist es so, dass sie mindestens zwei Mal pro Woche ein individuelles Training erhalten, in dem die richtigen Reize gesetzt werden, auch wenn sie nicht so viel gespielt haben. Da ziehen die Vereine sehr gut mit. Ich bin drei bis vier Tage pro Jahr bei jedem Spieler vor Ort, spreche mit Vereinen, Schule, Uni oder Ärzten - und Schulen und Ausbilder haben ein großes Verständnis für uns entwickelt. 

Das heißt, Ihnen ist vor der Zukunft nicht bange?
Sommerfeld: Definitiv nicht, alles andere ist der Fall. Martin Heuberger hat eine Ära der Nachwuchsförderung eingeleitet. Und nimmt man die aktuellen U18- und U20-Mannschaften, werden sie das Korsett für unsere langfristigen Ziele Heim-WM 2019 und Olympia 2020 bilden, wenn alle gesund bleiben. Ich bin mir sicher, dass wir weiterhin auf schlagkräftige Männer-Mannschaften zählen werden.