Siegtreffer im Topspiel nach Schlusssirene: HSG Konstanz im kollektiven Glücksrausch
30.11.2015 3. Liga

Siegtreffer im Topspiel nach Schlusssirene: HSG Konstanz im kollektiven Glücksrausch

30.11.2015 · 3. Liga, Männer 3. Liga, Staffel Süd · Von: pm verein

Siegtreffer im Topspiel nach Schlusssirene: HSG Konstanz im kollektiven Glücksrausch

Das Gipfeltreffen in der 3. Liga Süd zwischen Tabellenführer HSG Konstanz und dem direkten Verfolger SG Leutershausen war eines, von dem man in Konstanz noch in vielen Jahren sprechen wird. Mit einem denkwürdigen Freiwurftreffer nach Ablauf der Spielzeit zum 24:23 (11:10)-Heimsieg, dem achten Erfolg der Konstanzer in Folge, vergrößerte die HSG mit 22:4 Punkten den Vorsprung auf den Tabellenzweiten auf fünf Punkte – und versetzte über 1200 Zuschauer in der „Schänzle-Hölle“ in einen kollektiven Glücksrausch.

Es war kein wirklich gutes Handballspiel, das Spitzenspiel zwischen Spitzenreiter Konstanz und seinem bis dato schärfsten Verfolger Leutershausen. Zu gut agierten beide Abwehrreihen, zu gut die Torhüter Konstantin Poltrum und Alexander Hübe im SGL-Gehäuse. Wie oft in Spitzenspielen dominierten die Deckungsverbünde beider Teams und machten es den Angreifern unglaublich schwer, überhaupt einmal gute Wurfmöglichkeiten zu kreieren. Jedes Tor erforderte einen wahren Kraft- und Willensakt der Angreifer.

Aber es war spannend, ja dramatisch und gipfelte in einem unfassbaren Höhepunkt. Die Spielzeit abgelaufen, die Halle schon seit fast zehn Minuten komplett stehend und in Erwartung einer letzten Aktion. Der kleinste auf dem Spielfeld, 1,78-Meter-Mann Matthias Stocker, schnappte sich die Kugel und trat zu einem direkten Freiwurf an. 23:23 der Spielstand, ein gerechtes Ergebnis nach einer umkämpften Partie zweier gleichwertiger Mannschaften.

Einige Spieler und Zuschauer machten sich schon bereit für das erwartete Ende und das 23:23-Remis, dann täuschte Matthias Stocker einmal den Wurf an, der massive Block der SG Leutershausen bewegte sich und für einen ganz kurzen Augenblick tat sich eine kleine Lücke, kaum größer als der Ball auf. Blitzschnell nutzte Matthias Stocker die Gelegenheit, der Ball findet auf Hüfthöhe tatsächlich die Lücke durch den Block und am verdutzten Alexander Hübe vorbei in das Tor der SG Leutershausen.

Der HSG-Spielmacher macht noch ein Schritt zurück und bricht dann wild zappelnd zu Boden, bevor er nur wenige Sekunden später von der ganzen Mannschaft und einigen Fans begraben wird. Die Halle tobt, Fans rennen voller Freude quer über das Spielfeld, wildfremde Leute liegen sich in den Armen und wollen sich gar nicht mehr loslassen. 24:23. Heimsieg. Der achte Erfolg der HSG Konstanz ist perfekt, der Vorsprung auf die Verfolger in diesem Moment auf fünf Punkte angewachsen.

Matthias Stocker selbst konnte sein Glück kaum fassen: „Das war glaube ich mein erster direkter Freiwurf überhaupt. Das Gefühl ist unbeschreiblich und im Moment mein geilster Handball-Moment überhaupt. Ein unglaubliches Glücksding.“ Entscheidend waren für ihn „unser Kollektiv und unser Wille. Es war sicher nicht unser bestes Spiel, aber wir haben einen unglaublichen Fight geliefert. Und die Fans waren ein ganz entscheidender Faktor, der einen doch immer wieder zurück in das Spiel bringt.“ Die Schlussminuten konnte er hingegen nicht mehr schildern: „Da stand ich so unter Adrenalin, dass das alles komplett an mir vorbeiging.“ „Es waren zwei Teams, die sich in ihrer Tagesform auf Augenhöhe begegnet sind. Am Ende hat dann das glücklichere gewonnen – das war sehr emotional und die Stimmung einfach großartig“, erzählte HSG-Cheftrainer Daniel Eblen ob des Krimis schweißgebadet und hatte die fassungslos vom Spielfeld schleichenden Leutershausener im Gedächtnis, die nach eindrucksvollem Kampf mit leeren Händen dastanden und den bitteren K.o.-Schlag nicht begreifen konnten.

Auch deshalb nicht, weil sie zu Beginn das klar bessere Team waren und nach nicht einmal fünf Minuten bereits mit 3:0 in Front lagen. Konstanz tat sich ungemein schwer, weil Paul Kaletsch in Manndeckung genommen wurde und später umstellen musste, sodass Mathias Riedel im rechten und Paul Kaletsch im linken Rückraum agierte. Trotzdem lag Konstanz meist mit drei Treffern zurück und brauchte viel Zeit, um langsam ein Rezept gegen die kompakte Defensive und einen überragenden Alexander Hübe zu finden, der Konstanz mit der Abwehr vieler freier Chancen reihenweise zur Verzweiflung trieb.

Nach 24 Minuten war es dann soweit: der sechsfache Torschütze Mathias Riedel stellte erstmals den Ausgleich zum 9:9 her und nur wenig später, pünktlich zum Halbzeitpfiff, durften die Gastgeber sich das erste Mal über eine Führung freuen (11:10). „Es war kein guter, ein hektsicher Beginn von uns, in dem wir viele Möglichkeiten vergeben und viel zu oft viel zu früh abgeschlossen haben“, stufte Rückraum-Ass Mathias Riedel die erste Hälfte selbstkritisch ein, „und in der Abwehr mussten wir viele einfache Tore durch Schlagwürfe, gerade bei Zeitspiel, hinnehmen.“

Durchgang zwei begann dann erneut so, wie der erste. Die SGL spielte ihre Angriffe extrem lange aus, riskierte immer wieder das reihenweise angedrohte Zeitspiel, setzte aber immer wieder im letzten Moment empfindliche Nadelstiche über den wurfgewaltigen Rückraum oder sorgte für spielerische Höhepunkte wie den Treffer zum 17:14 (42.) durch einen herrlichen Kempa-Trick durch Sascha Pfattheicher in Unterzahl. Als Konstanz aber das 18:18 (47.) erzielt hatte, brannte nicht nur die „Schänzle-Hölle“, sondern das Drama begann seinen Lauf zu nehmen. Zunächst mit einer 21:19-Führung der Gäste, dann mit dem 23:21 für Konstanz (58.), weil Mathias Riedel mit wichtigen Treffern zurückschlug und hinterher meinte: „Es war toll, dass wir nie aufgegeben haben, unser Wille war entscheidend, ebenso wie die Unterstützung der Fans. Es ist einfach geil, in so einer Halle zu spielen, wo man das Gefühl hat, dass gerade ein Jumbo-Jet landet.“

Schließlich nutzte Leutershausen eine zweifache Unterzahl der HSG Konstanz gnadenlos aus und markierte erneut den 23:23-Ausgleich – neun Sekunden vor dem Ende. Nur noch ein schneller Gegenangriff blieb Konstanz. Dieser wurde regelwidrig gestoppt, sodass nach Ablauf der Spielzeit Matthias Stocker dem Wahnsinn am Konstanzer Schänzle den Höhepunkt aufsetzen konnte. Letztlich war dies alles aber auch nur dank des guten Bauchgefühls von HSG-Cheftrainer Daniel Eblen und seinem Co-Trainer Andre Melchert möglich. Zehn Minuten vor Schluss hatten sie in einer Auszeit beim Stand von 19:21 das richtige Gefühl und wechselten Junioren-Nationaltorwart Stefan Hanemann für Konstantin Poltrum ein. „Andre und ich haben kurz ein paar Blicke getauscht, dann war uns beiden klar, dass wir wechseln werden. Das war eine Entscheidung aus dem Bauch heraus und sehr wichtig. Stefan hat das Vertrauen mehr als zurückgezahlt“, lobte A-Lizenzinhaber Daniel Eblen. Hanemann fügte sich mit vielen wichtigen Paraden ein, war kaum zu bezwingen, ebnete den Weg für den Umschwung und avancierte – neben Matthias Stocker – zum Matchwinner.

Der 19-Jährige war nach dem Geschehenen sprachlos: „Unglaublich, wer heute nicht in der Halle war, ist selbst schuld. So etwas erlebt man nicht oft.“ Nach Worten ringend meinte er: „So ein Spiel – das ist ein absoluter Karriere-Höhepunkt, einfach geil, ich kann das einfach nicht in Worte fassen. Es ist eigentlich unmöglich, dass Matthias Stocker am Ende mit seinem Freiwurf durch die Mauer kommt.“ Begeistert war er von der unglaublichen Atmosphäre in der „Schänzle-Hölle“: „Unglaublich, da meinst du, das Dach fliegt weg, wenn die Tribüne richtig anfängt zu vibrieren.“

Wenn HSG-Präsident Otto Eblen vor dem Spiel davon sprach, dass das Konstanzer Publikum mit über einen möglichen Aufstieg in die 2. Bundesliga abstimmen könne, so war das Votum der über 1200 enthusiastischen und euphorischen Zuschauer beim ersten Sieg gegen Leutershausen nach zuletzt sechs Niederlagen in Folge gegen die Kurpfälzer eindeutig. HSG Konstanz – SG Leutershausen 24:23 (11:10)

HSG Konstanz:

Konstantin Poltrum, Stefan Hanemann (Tor); Fabian Schlaich (6), Mathias Riedel (6), Kai Mittendorf, Simon Flockerzie (3), Matthias Stocker (4), Michael Oehler, Paul Kaletsch (2/1), Felix Krüger, Alexander Lauber, Fabian Maier-Hasselmann (3), Tim Jud.

Zuschauer: 1200.