„Alle haben ihren Anteil an Gold“ - Co-Trainer Axel Kromer im Interview
03.02.2016 A-Nationalmannschaft Männer

„Alle haben ihren Anteil an Gold“ - Co-Trainer Axel Kromer im Interview

03.02.2016 · Slider, Home, Männer Nationalteam · Von: BP

„Alle haben ihren Anteil an Gold“ - Co-Trainer Axel Kromer im Interview

An der Seite von Bundestrainer Dagur Sigurdsson haben Alexander Haase und Axel Kromer Schwerstarbeit verrichtet, bis der EM-Titel von Krakau unter Dach und Fach war. Die beiden Co-Trainer haben sich bei den EM-Spielen auf der Bank abgewechselt, haben gemeinsam analysiert und mit Sigurdsson die Mannschaft vorbereitet.

In diesem Interview mit dhb.de berichtet Kromer, zugleich auch DHB-Nachwuchskoordinator, über die Zusammenarbeit des Trainerstabs, die Bedeutung des gesamten Teams hinter dem Team und die Schlüssel zum EM-Gold.

Wenn Ihnen vor zweieinhalb Wochen jemand gesagt hätte, Sie kämen aus Polen mit einer Goldmedaille um den Hals zurück, was hätten Sie geantwortet?

Axel Kromer: Es kling vielleicht langweilig, aber wir haben wirklich nur von Spiel zu Spiel gelebt. Wir haben natürlich daran geglaubt, möglichst viele Spiele in Polen zu absolvieren. Das Erreichen der Hauptrunde war das Anfangsziel, und wir wussten auch, dass - wenn wir etwas reißen wollen -, wir einige Punkte mitnehmen mussten. Danach ging es wirklich Spiel für Spiel - und am Ende waren es acht.

Bundestrainer Dagur Sigurdsson hat immer die Bedeutung des Trainerstabs für den Erfolg hervorgehoben, zum Beispiel, als die Co-Trainer im Schweden-Spiel den entscheidenden Hinweis zur Abwehrumstellung gegeben hätten. Wie wichtig waren Alexander Haase und Sie für Dagur?

Axel Kromer: Die Aussagen von Dagur zeigen genau, wie er ist und wie er tickt. Er freut sich für alle, er weiß, dass der Erfolg viele Väter hat. Dagur trägt im Endeffekt die Verantwortung, und er bekommt viele Ratschläge von vielen Seiten. In besagtem Spiel gegen die Schweden hat er das sofort umgesetzt, manchmal sagte er zu uns, das machen wir später - oder er musste auch Ratschläge verwerfen, denn er kann nicht alle umsetzen. Diese Europameisterschaft hat einfach gezeigt, dass wir ein Team sind, an dem viele Leute mitarbeiten und dabei ihr eigenes ‚Ich‘ in den Dienst des Teams gestellt haben. Die Therapeuten haben zum Beispiel einen Riesenjob gemacht, oder alle anderen rund um die Mannschaft.

Wie muss man sich gerade zwischen zwei Spielen die Arbeitsaufteilung zwischen den Co-Trainern und Dagur Sigurdsson vorstellen?

Axel Kromer: Unsere Arbeit in Sachen Vorbereitung hat direkt mit dem Abpfiff des Spiels begonnen. Da stehen der Cheftrainer und die Mannschaft natürlich noch unter Stress, den sie abbauen müssen, und sie brauchen eine Pause, um alles zu verarbeiten. Alex Haase und ich haben das Spiel zu diesem Zeitpunkt schon abgehakt und beginnen gleich mit der Videoanalyse des nächsten Gegners. Wir schauen uns alle vorherigen Partien an, schneiden die wichtigsten Szenen so bis drei Uhr nachts zusammen. Morgens folgt dann die taktische Besprechung mit Dagur. Wir stellen vor, was beim nächsten Gegner entscheidend ist, wir besprechen, was wir taktisch und im Training aufgreifen müssen und welche Informationen jeder Spieler individuell erhält.

Diese Aufteilung spricht für eine große Vertrauensbasis…

Axel Kromer: Das ist doch selbstredend, nicht nur im Sport, sondern für jede Gruppe. Wenn der Chef seinen Mitarbeitern nicht vertraut, hätte er sie nicht einstellen müssen. Wenn ein Trainer seinen Spielern nicht vertraut, hätte er sie nicht nominieren dürfen. Wir sind ein Team, bei dem jeder seine Rolle. Ohne Vertrauen geht viel Kraft verloren und Potenziale werden nicht genutzt.

Auch vor dem Kabinengang trafen sich zunächst der Bundestrainer und seine Assistenten am Anfang der Pause - wie liefen diese Besprechungen ab?

Axel Kromer: Wir haben uns als Erstes einmal eine ruhige Ecke in der Halle gesucht. Dann hatte zunächst der Co-Trainer, der auf der Tribüne saß, das Wort, da er von allen den objektivsten Blick aufs Spielgeschehen hat. Im Anschluss haben Dagur und der Co-Trainer von der Bank die Infos ergänzt und die weitere Marschroute besprochen. In der Kabine hat dann Dagur das Wort, aber die beiden Co-Trainer haben auf dem Weg zurück aufs Feld viele Einzelgespräche mit den Spielern geführt.

Gab es dabei eine Aufteilung nach Angriff und Abwehr?

Axel Kromer: Nein, wir haben uns das so nicht aufgeteilt, sondern alles gemeinsam gemacht.

Wie sah die direkte EM-Vorbereitung des Trainerstabs aus?

Axel Kromer: Wir treffen uns ja nicht nur bei den Lehrgängen und Maßnahmen, sondern stehen in ständigem Austausch. Unsere Treffen sind dann teilweise sehr informell. Vor der EM stand natürlich unsere generelle Marschroute, unsere Strategie im Vordergrund. Wir haben unsere Spielbeobachtungen der Nationalspieler besprochen, die wir im übrigen viel effektiver per Video machen können als direkt in der Halle. Deswegen muss man gar nicht so viel Präsenz haben, wir haben ja alle Partien aus dem Internet.

Im Nachgang des EM-Golds wurde viel darüber diskutiert, wie viel Prozent des Titels auf das Trainerteam entfällt. Kann man das quantifizieren?

Axel Kromer: Auf keinen Fall - alle haben ihren Beitrag zur Goldmedaille geleistet Es ist überhaupt nicht relevant, wer nun 60 Prozent oder 40 Prozent hatte, das Wichtigste ist, dass am Ende 100 Prozent dabei herauskommen. Alle Bausteine müssen passen, und da schließe ich gerade die ein, die nicht so in der Öffentlichkeit stehen, denn auch die haben einen Riesenanteil gehabt.

Ein anderer Schlüsselfaktor war, Selbstvertrauen aufzubauen, gerade, nachdem viele Stammspieler verletzt ausgefallen waren.

Axel Kromer: Auch da tue ich mich schwer, genau zu sagen, wie wichtig es war. Wir sind richtig knapp Europameister geworden - nicht, was das Finalergebnis betrifft, sondern das gesamte Turnier. Man sucht im Nachhinein immer nach der Situation oder dem Fakt, der entscheidend war. Aber es kann eine Kleinigkeit gewesen sein - zum Beispiel, dass der Physio zum richtigen Zeitpunkt in die Wade gegriffen hat, damit sich dieser Spieler nicht verletzt.

Also war es doch der Teamgeist?

Axel Kromer: Wir haben einen gnadenlosen Teamgeist, aber ich kenne auch Spieler in der Kreisklasse, die hervorragende Teamplayer sind, das reicht dann aber nicht, um Europameister zu werden. Dazu musst du dann auch noch ein geiler Handballer sein.

Genau der „bad boy“ also - von wem stammt dieser Begriff eigentlich?

Axel Kromer: Den hat Dagur eingeführt, aber schon seit dem ersten Tag unserer Zusammenarbeit. Dabei ging es nicht um den Schlachtruf vor dem Spiel, sondern hinter den „bad boys“ stehen eben auch Attribute und eine Idee, das ist nicht nur so daher gesagt.

Wird sich der EM-Erfolg nun auch verkaufsfördernd auf Ihr Buch „Positionstraining“ auswirken, das sich vorrangig mit der individuellen Entwicklung von Talenten befasst?

Axel Kromer: Das muss man sehen, grundsätzlich enthält das Buch aber viele Dinge, von dem Trainer profitieren können, gerade im Nachwuchsbereich.