DHB-Präsident Bauer: „Wildcard ist ein Glücksfall und hoher Anspruch an unsere Nationalmannschaft”
In den Play-offs die Qualifikation verpasst, dank einer Wildcard nun doch Teilnehmer der Weltmeisterschaft 2015 in Katar und noch auf der Suche nach einem neuen Bundestrainer: Der Deutsche Handballbund hat in den vergangenen Wochen rund um die Männer-Nationalmannschaft ein emotionales Auf und Ab erlebt, das auch von vielen Diskussionen in der Öffentlichkeit begleitet wurde. DHB-Präsident Bernhard Bauer bezieht dazu Position.
Herr Bauer, warum ist es richtig, dass der Deutsche Handballbund die Wildcard für die Männer-Weltmeisterschaft 2015 in Katar angenommen hat?
Bauer: Weil wir die Ergebnisse demokratischer Prozesse respektieren. Der Rat des Weltverbandes IHF, das höchste Gremium des Handballs und eine demokratisch gewählte Institution, hat in dieser Sache einstimmig entschieden. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist die riesige Chance, die uns die WM-Teilnahme über die Wildcard für die weitere Entwicklung des Handballsports im Sinne unseres Arbeitsprogramms „Perspektive 2020” gibt. Wir können – nach der EM der Frauen im Dezember – den Handballsport nun auch mit unserer Männer-Nationalmannschaft im Januar einer bundesweiten Öffentlichkeit präsentieren. Vor allem auf der großen internationalen Bühne entstehen Vorbilder, denen Kinder und Jugendliche in den Vereinen nacheifern können. Und gerade diesen Schub brauchen wir auch mit Blick auf den demografischen Wandel.
Lassen die Diskussionen um die Wildcard noch Platz für Vorfreude auf die WM?
Bauer: Ja. Wir haben uns sportlich nicht qualifiziert, aber dank der Wildcard die Chance bekommen, uns doch mit den Besten der Welt messen zu dürfen. Darüber sind wir froh, aber das ist keine Leistung, sondern ein Glücksfall. Daraus resultiert ein hoher Anspruch an unsere Nationalmannschaft: Ich erwarte, dass die Spieler diese unverhoffte Möglichkeit mit leidenschaftlichen Auftritten nutzen. Dänemark, Polen, Russland, Argentinien und Bahrain – das ist eine attraktive Gruppe, in der mindestens Platz vier und der Einzug ins Achtelfinale machbar sein sollten. Dass wir nach den Play-off-Niederlagen erneut gegen Polen spielen, hat dabei natürlich eine besondere Note.
Apropos WM: Wie haben Sie das neue Sommermärchen der deutschen Fußballer erlebt und empfunden?
Bauer: Mein Urteil ändert sich auch mit wachsendem zeitlichen Abstand nicht: Es war mitreißend und Beispiel gebend. Das habe ich so auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach in einer persönlichen Gratulation übermittelt. Der Deutsche Fußball-Bund hat nicht nur seine Nationalmannschaft, sondern den gesamten Leistungssport über Jahre hinweg systematisch aufgebaut und optimiert. Die Struktur ist vorbildlich. Davon können alle lernen. Und der Erfolg der Fußballer ist auch für andere Sportarten ein Gewinn: Der WM-Titel schafft eine grundsätzliche Begeisterung für Bewegung in Gemeinschaft. Es ist die Aufgabe eines jeden Verbandes, diesen gesellschaftlichen Input bestmöglich zu nutzen.
Weltmeisterschaften sind ganz aktuell ein Thema für den DHB.
Bauer: Richtig. Unsere Juniorinnen haben bei der U20-WM in Kroatien begeisternd gespielt und den vierten Platz belegt. Und in Mazedonien ist die weibliche Jugend aussichtsreich in die U18-WM gestartet. Auch da dürfen wir gespannt sein. Zudem stellen sich ab Donnerstag unsere Junioren bei der U20-EM in Österreich dem Wettbewerb, und im August folgt noch die männliche Jugend bei der U18-EM in Polen. Da ist unglaublich viel Zukunft im Spiel.
Bleibt die Frage nach dem neuen Bundestrainer.
Bauer: Wir handeln weiterhin mit Ruhe und Bedacht und werden eine für den deutschen Handball gute Entscheidung treffen. Dabei geht es um Qualität und nicht um Tempo.