HVSH-Präsident Dierk Petersen: „Ich möchte eine andere Gesprächskultur“
27.05.2017 Landesverbände

HVSH-Präsident Dierk Petersen: „Ich möchte eine andere Gesprächskultur“

27.05.2017 · Landesverbände, HV Schleswig-Holstein ·

HVSH-Präsident Dierk Petersen: „Ich möchte eine andere Gesprächskultur“

Der Handball-Verband Schleswig-Holstein hat mit Dierk Petersen einen neuen Präsidenten. Der 54 Jahre alte geborene Wanderuper mit Wohnsitz in Sieverstedt tritt die Nachfolge von Karl-Friedrich Schwark an. Petersen ist in der Region Tarp und darüber hinaus kein Unbekannter. Sein Weg ins Ehrenamt war klassisch: Jugendwart, Handball-Obmann und Vorsitzender beim TSV Sieverstedt. Zweiter Vorsitzender im Kreishandballverband (KHV) Flensburg. Sprecher der Kreishandballverbände im Handballverband Schleswig-Holstein. Ehemaliger Lokalpolitiker in der Gemeinde Sieverstedt und im Amt Oeversee.

Seit Ende 2016 stand Dierk Petersen als Kandidat für das Präsidentenamt parat. Im Interview spricht Petersen über seine neue Position.

Herr Petersen, was sind die Aufgaben eines Sprechers der Kreishandballverbände?
Ich muss respektieren, was jeder Kreishandballverband für sich möchte und so kommunizieren, dass es keine Differenzen gibt – das ist gar nicht so leicht. Alle Sportfreunde in den Kreishandballverbänden sind ehrenamtlich tätig und machen dort eine tolle Arbeit. Aber man kann zum Beispiel die Kreise Nordfriesland und Dithmarschen nicht mit Kiel oder Flensburg vergleichen. Die ländlichen Regionen haben andere Schwierigkeiten zu überwinden. Als Vertreter der Kreishandballverbände weiß ich, dass das Präsidium in Kiel manchmal Ideen hatte, wie Dinge zu sein hätten – das war aber nicht immer im Einklang mit den Kreisen. Diese Vermittlung war meine Aufgabe, und das ist ganz gut gelungen. 

Waren Sie überrascht, plötzlich aus dem Kreis der Kreisverbände heraus Präsidentschaftskandidat zu werden?
Das war im November 2016, und ich war sehr überrascht, aber nur im ersten Moment. Dann habe ich mir überlegt, dass es eine große Ehre für mich ist, die Chance zu bekommen, Präsident eines so großen und erfolgreichen Verbandes zu sein. Wenn ich sehe wie viel Lebenszeit Wilfried Tetens, Heinz Jacobsen und der aktuelle Präsident Karl-Friedrich Schwark dem Handball gewidmet haben, 21 Jahre Präsidentschaft bei „Kalle“ Schwark, über 50 Jahre Ehrenamt bei Wilfried Tetens  – das ist ja gar nicht in Worte zu fassen. Dem gebührt großer Respekt.

Werden Sie sich hauptsächlich dem Mitgliederschwund entgegenstellen
Das Thema bewegt alle Sportfreunde im HVSH. Es sind in diesem Jahr wieder zehn Prozent weniger Mannschaften. Aber – Mitgliederschwund: Das klingt zu 100 Prozent negativ. Wie benennt man es? Damit beginnt die Frage. Vielleicht finden wir irgendwann einen anderen Begriff dafür. Der Begriff ist zu negativ behaftet, damit gewinnen wir nichts. Inhaltlich: In Kreisverbänden, wo eng mit Schulen zusammengearbeitet wird, gibt es einen Mannschaftszuwachs. Ob das nachhaltig ist, wird man erst in ein paar Jahren sehen. Wir müssen als Verband positive Aspekte liefern. Da werden wir im neuen Präsidium mit den Kreisverbänden, dem Referenten für Schulhandball, dem Jugendvorstand, den Schulen und Vereinen neue Ideen entwickeln. Klar ist, dass wir den Vereinen und Kreishandballverbänden nicht noch mehr Kosten aufdrücken dürfen. Die Kosten für die Mitgliedergewinnung sollten in der Hauptlast beim Verband liegen.

Wie wollen sie die Sorgen der dünnbesiedelten Landstriche lindern?
Es muss Akteure vor Ort geben, die wir ansprechen können, die mit uns arbeiten. Wenn sie nicht da sind, können wir uns noch so tolle Konzepte ausdenken. Es gibt ja Erfolgsgeschichten, wenn ich etwa an den Grundschulaktionstag denke. Da haben 120 Grundschulen (Anm.: also fast jede dritte Grundschule) teilgenommen – das ist doch ein Riesengewinn für unsere Sportart. Da muss man weitermachen. Aber wie soll man es machen, wenn man keine Manpower hat?  Wir brauchen Projekte zur Mitgliedergewinnung, die über die Dauer der Legislaturperiode laufen, drei Jahre. Das ist eine Riesenaufgabe und erfordert die Unterstützung der Kreishandballverbände und deren Vereine.

Wie groß ist Ihr Einfluss als Präsident? 
Das ist eine Frage der Vorbereitung. Mir liegt eines speziell am Herzen: Wir haben den Auftrag, ein guter Dienstleister für unsere Mitglieder und Vereine zu sein. Ich muss da das Rad nicht neu erfinden. Nehmen wir das Beispiel Schiedsrichter: Wenn wir gute Ideen haben, wie wir Schiedsrichter entwickeln, ausbilden und halten wollen, müssen wir das zusammen mit den Kreisverbänden anpacken. Die Schiedsrichter haben eine große Verantwortung. Sie stellen sich ehrenamtlich zur Verfügung. Ich finde, der Schiedsrichterwart im Verband sollte nicht wie bisher weiterarbeiten, wir brauchen für die weitere Entwicklung des Schiedsrichterwesens innovative Ideen und Konzepte. Uns fehlen über 100 Gespanne im HVSH, das Problem ist viele Jahre bekannt und bisher haben wir keine Ideen entwickeln können diesem Missstand entgegen zu wirken. Und man bräuchte einen zweiten Mann oder eine Frau, der/ die ihn vertritt und entlastet. Man darf den Menschen im Ehrenamt nicht zu viel auflasten, dann bleibt irgendwas auf der Strecke.

Es fehlen landesweit 100 Gespanne? Wie wollen Sie dem begegnen?
Indem wir sie besser betreuen. Ein junger Schiedsrichter ohne Auto wird von seinen Eltern zum Spiel gefahren, macht dort womöglich schlechte Erfahrungen mit Eltern und den Akteuren und pfeift möglicherweise nie wieder. In Hessen gibt es junge ausgebildete Schiedsrichter nur als Gespann, und sie haben grundsätzlich einen Beobachter dabei, der in den Hallen mäßigend auf Zuschauer, Trainer, Spieler einwirken kann und soll. Das ist ein Riesenunterschied, ob man zu dritt oder allein anreist.

Hören Sie von der Basis Kritik, nach dem Motto: Jetzt kommt ein Präsident aus Flensburg, der kennt doch unsere Sorgen auf dem Land gar nicht?
Das sagen sie zu Recht. Wir haben die Basis als Verband lange nicht erreicht. Wir müssen genau hingucken – was können wir denen anbieten. Die Regionen müssen sich aber auch Gedanken machen, wie sie den ordentlichen Spielbetrieb aufrechterhalten wollen. Die Westküste hat weiße Flecken, wo Handball nahezu ausgestorben ist. Die Westküste ist da schon sehr gebeutelt. Auch da geht es um Ideen, Lösungen. Aber um andere als in Flensburg, wo der Handball lebt. Die HSG SZOWW macht es ja vor – wobei das Beispiel auch nicht überall taugt, weil durch Spielgemeinschaften auch Mitglieder verloren gehen, weil sie ihre Stammvereine vermissen.

Suchen Sie die Nähe der Basis?
Unbedingt. So können wir dicht an den Kernpunkten sein. Ich will jede Woche einen Nachmittag in der Geschäftsstelle in Kiel sein, darüber hinaus möchte ich mit den Kreisverbänden so oft wie möglich ins Gespräch gehen. Die institutionalisierten Treffen sind mir zu wenig. Wenn ich mit 14 Kreisverbänden zusammensitze, werde ich nicht spüren, was in deren Vereinen los ist. Ich muss mit Vereinsvertretern aus den Regionen sprechen, um zu verstehen, was sie bewegt. Ich muss die Sprecher der Regionen an einen Tisch kriegen und sie fragen, was tut sich bei euch, dann können wir gemeinsam etwas entwickeln. Das hat bisher zu wenig stattgefunden. Ich möchte eine andere Gesprächskultur.

Haben Sie lange nach Ihrem Präsidiums-Team gesucht?
Ich habe einen Vorteil. Ich hatte noch keine Funktion im HVSH. Aus der Findungskommission wurden Vorschläge von den Kreishandballverbänden genannt, diese wurden durch Teilnehmer der Findungskommission kontaktiert und deren Bereitschaft abgefragt. Wir haben uns viele Absagen abholen müssen, insbesondere bei dem Posten für die Spieltechnik, dessen Arbeitsauftrag und Umfang sehr arbeitsaufwendig ist. Ich bin sehr froh eine kompetente Person gefunden zu haben. Ich hatte die Kandidaten im Austausch mit der Findungskommission kollegial kontaktiert. Dazu muss ich sagen: es ging vor allem um persönliche Bereitschaft. Aber natürlich auch um die Fähigkeit. Ich hätte niemanden abgelehnt. Es gibt bei mir keine verbrannte Erde, wo ich sage: Nein, mit dem oder der nicht. Wir haben uns am 24. April in Treia getroffen und ausgetauscht. Ich habe da große Bereitschaft zur Kooperation im Sinne des Handballs in Schleswig-Holstein gespürt. Die haben alle Lust, etwas zu bewegen. Die wissen ja fachlich viel mehr als ich in ihren Ressorts. Ich muss sie laufen lassen und machen lassen. Ich habe das Gefühl, ein harmonisches Team zusammenzuhaben.

Was soll sich in ihrer Amtsperiode ändern?
Ich komme aus einer anderen Generation als Karl-Friedrich Schwark. Mir ist wichtig, dass wir das Vertrauen einiger Kreishandballverbände zurückgewinnen. Das war teilweise zerrüttet. Diesen Auftrag habe ich, und den nehme ich ernst. Es wird ein anderer Ton im Verband angestimmt.

Konnten Sie sich vor der Wahl bei den Delegierten vorstellen?
Durch meine Funktion als Sprecher der Kreishandballverbände bin ich kein unbeschriebenes Blatt. Ich bin auf einigen Verbandstagen gewesen, zuletzt in der HG Lauenburg/Stormarn und bei der HG Förde, dort konnte ich mich vorstellen. In Flensburg, Dithmarschen, Schleswig und Nordfriesland kennt man mich ohnehin.

Werden Sie mit Forderungen antreten?
Die Kreishandballverbände möchten in ihrem Haus gern bestimmen, was passiert. Das ist auch richtig so. Aber ich muss sagen, dass wir an den Kreisgrenzen nicht festhalten können, weil sie ein Hindernis der Spielplangestaltung sind. Es ist nicht die Lösung, wenn alles im Hauptamt in Kiel geregelt wird. Aber die Spieltechnik könnte in Kiel im Hauptamt gebündelt werden, gerade, weil ab 2018 ja alles digital abgewickelt wird. Ist der gläserne Spielbericht nicht ein Vorteil für alle? Viele Kreise sagen: Nein. Ich mache das gern selbst. Nehmt mir das nicht weg. Ich möchte das weitermachen. Das hinzukriegen, ist eine Herausforderung. Wir müssen für unsere Vereine auf Sylt und Föhr auch andere Spielformen entwickeln, damit sich die langen Anfahrten lohnen. Da müssen wir ganz individuell gucken, was Sinn macht. Vielleicht muss man dann auch mal zwei Spiele an einem Tag machen. Wir müssen neue Ideen entwickeln, und die Spieltechniker müssen das mit den Vereinen absprechen.

Gibt es eine Vision?
Wir müssen im Verband viel mehr projektbezogen arbeiten, etwa im Schiedsrichterwesen. Wir wollen Menschen von außerhalb mit guten Ideen berufen, um für uns tätig zu werden, für ein halbes Jahr oder so. Dem stehen noch Satzungen und Ordnungen im Weg. Wir müssen da moderner werden. Ich weiß nicht, ob ich alles so hinkriege, wie ich es jetzt gesagt habe. Aber ich möchte da nah herankommen.