Zeit für Experimente: Prokop prüft EM-Alternativen
Besseres Trainingsspiel? Von wegen. Die fehlenden Stars? Kein Problem. Christian Prokop brennt. Immer. Der Bundestrainer sprüht auch vor dem sportlich unbedeutenden Abschluss der EM-Qualifikation vor Tatendrang. Prokop denkt schon einen Schritt weiter - und will die Partie gegen die Schweiz am Sonntag (15.00 Uhr/ZDF - Karten unter www.dhb.de/tickets) für Experimente auf dem Weg zur Titelverteidigung nutzen.
"Ich habe meinen Stamm für das Turnier im Kopf", sagte Prokop mit Blick auf die EM-Endrunde im Januar 2018 in Kroatien: "Aber es bieten sich viele Alternativen." Und so nutzt er die letzten 60 Minuten Handball vor der Sommerpause am Ende einer langen Saison zu einem kleinen Kader-Casting. Nachdem Prokop fünf seiner Leistungsträger angesichts des unter der Woche in Portugal hart erkämpften vorzeitigen Gruppensieges (29:26) schon in den Urlaub schickte, gibt er in Bremen dem Nachwuchs eine Chance.
"Ich freue mich unglaublich darauf, weil es ein Teil unserer Zukunft ist", sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. Prokop habe in den vergangenen Wochen und Monaten "unfassbar viele Spieler aus dem Pool, den DHB und Bundesliga entwickelt haben, gesehen. Das macht die Zukunft etwas einfacher."
Anstelle arrivierter Stars wie Kapitän Uwe Gensheimer oder Europameister Patrick Wiencek rücken am Sonntag Spieler wie die Junioren-Nationalspieler Tim Suton und Marian Michalczik sowie Marcel Schiller, Tim Hornke und Erik Schmidt in den Fokus, die sich nach starken Leistungen in der Bundesliga für die kommenden Aufgaben mit der Nationalmannschaft empfehlen möchten. Angeführt werden sie von einem Routinier: "Silvio Heinevetter wird die Mannschaft als Kapitän gegen die Schweiz auf das Parkett führen", sagte Prokop am Freitag.
Zu einem reinen Schaulaufen soll die Partie gegen die noch punktlosen Schweizer aber keineswegs verkommen. "Wir wollen unseren Zuschauern zu Hause natürlich nochmal ein schönes Spiel mit tollem Tempo-Handball bieten", sagte Rückraumspieler Philipp Weber. "Und dann mit einem sehr guten Gefühl in den Urlaub gehen."
Das will auch Prokop, der nach nur drei Monaten beim Deutschen Handballbund bereits voll angekommen scheint. Nach dem bitteren Achtelfinal-Aus bei der WM übernahm Prokop im Frühjahr das zuvor so erfolgreiche Team von Dagur Sigurdsson - und sorgte trotz lautem Getöse und leiser Kritik für einen reibungslosen Übergang.
Der detailverliebte Coach, der bis zuletzt parallel noch den Bundesligisten SC DHfK Leipzig trainiert hatte, trotzte den Skeptikern und hatte mit seiner kommunikativen Art auf Anhieb Erfolg. Alle drei Pflichtspiele unter dem 38-Jährigen wurden gewonnen, seinen ersten Auftrag "EM-Qualifikation" löste er mit Bravour. Die großen Verbandsziele EM-Titel 2018, WM-Medaille 2019 und Olympiasieg 2020 füllt Prokop mit neuem Leben.
Das deutsche Team scheint seine Balance wieder gefunden zu haben. Und so bleibt von der EM-Qualifikation vor allem der 32:23-Kantersieg beim WM-Dritten Slowenien hängen - laut Hanning, der seinen Wunschkandidaten gegen einige Widerstände in der Szene für eine halbe Million Euro aus dessen Vertrag in Leipzig herausgekauft hatte, eines der "besten Spiele der letzten Jahre".
"Er hat einen genauen Plan, was er von uns erwartet", hatte Linksaußen Gensheimer schon nach den ersten Einheiten mit dem ehrgeizigen Trainer gesagt. Prokops Plan scheint aufzugehen.