„Musste mich erst einmal zwicken“ – Jacob Dietrich ist seit einem Jahr Landestrainer des Handball-Verbandes Sachsen
08.04.2016 Landesverbände

„Musste mich erst einmal zwicken“ – Jacob Dietrich ist seit einem Jahr Landestrainer des Handball-Verbandes Sachsen

08.04.2016 · Trainer, Home, Landesverbände, HV Sachsen ·

„Musste mich erst einmal zwicken“ – Jacob Dietrich ist seit einem Jahr Landestrainer des Handball-Verbandes Sachsen

Ein Jahr ist Jacob Dietrich (28) als Landestrainer des Handball-Verbandes Sachsen (HVS) im Amt. Thomas Seidler sprach für die Redaktion der „Handballpost - Das Magazin für Fans und Vereine aus Sachsen" mit dem gebürtigen Thüringer über Erwartungen, Erfahrungen und Ziele.

Was macht nach Ihrer Meinung einen guten Landestrainer aus?
Jacob Dietrich: Ein guter Landestrainer sollte ein hohes Maß an Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz besitzen. Zusätzlich muss er bereit sein, neue Wege zu gehen und eigene Ideen durchzusetzen. Dabei ist es wichtig, das große Ganze nicht aus dem Blick zu verlieren und kooperativ mit allen Beteiligten und Gremien zusammenzuarbeiten, um für die Handball-Talente optimale, individuelle Entwicklungs- und Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen, sie auf ihrem Weg zum Leistungssport zu unterstützen und zu begleiten.

Und? Sind Sie ein guter Landestrainer?
Dietrich: Wenn ich mich jetzt auf die Ergebnisse der Mädchen in diesem Jahr beziehe, bin ich ein richtig guter Landestrainer, denn mit Platz zwei beim Länderpokal und dem Gewinn der DHB-Sichtung geht es ja nicht viel besser... Nein, im Ernst: Ob ich ein guter Landestrainer bin, sollen lieber andere bewerten. Ich fühle mich in meinem Job jedenfalls sehr wohl. Ich versuche, die tolle Arbeit meiner beiden Vorgänger Steffen Wohlrab und Christian Witusch fortzusetzen, dabei eigene Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Die Arbeit mit den Talenten, der Umgang mit dem HVS-Trainerteam, die Zusammenarbeit mit unseren Landesleistungs- und Talentstützpunkten sowie die tägliche Arbeit in der Geschäftsstelle und im Trainingsprozess sind meiner Meinung nach meine Stärken. Dass man nicht immer nur Freunde hat, auch mal unangenehme Entscheidungen treffen, durchzusetzen und gelegentlich mit der Faust auf den Tisch hauen muss, werde ich sicherlich noch lernen.

Wie sind Sie zum Handball gekommen?
Dietrich: Schon als kleiner Junge habe ich fast täglich mit Freunden Sport getrieben, meist Fußball oder Tischtennis. Nach der Grundschule hätte ich auf das Jenaer Sportgymnasium wechseln und beim FC Carl Zeiss Jena Fußball spielen können. Stattdessen habe ich in der Schul-AG meines Gymnasiums mit dem Handballsport begonnen. Irgendwann hatte ich dann einfach mehr Freude beim Handball und habe die Fußballschuhe endgültig an den Nagel gehängt. Heute spiele ich für mein Leben gern Hand- und Fußball, doch leider fehlt mir die Zeit für einen regelmäßigen Punktspielbetrieb, sodass ich versuche, mich durch Jogging fit zu halten. Und mindestens einmal pro Woche betreibe ich eine Spielsportart, um meine kognitiven und koordinativen Fähigkeiten zu trainieren.

Über welche Stationen ging es bis zum Landestrainer?
Dietrich: Mit 16 Jahren habe ich in meinem Heimatverein HSV Weimar bereits meine erste Mannschaft als Trainer übernommen. Dort absolvierte ich nach meinem Abitur auch ein Freiwilliges Soziales Jahr und konnte so weitere Erfahrungen im täglichen Vereinsleben sammeln. Meine erste Trainerlizenz habe ich im Rahmen des FSJ ebenfalls erworben. Mit Beginn meines Studiums in Leipzig bin ich nach Markranstädt gekommen, wo ich beim SCM ab 2007 Nachwuchsmannschaften trainierte und betreute. 2011 bekam ich dort auch die Möglichkeit, als Nachwuchskoordinator hauptamtlich tätig zu sein. Noch im selben Jahr sprach mich unser damaliger Landestrainer Christian Witusch an, und ich wurde Stützpunkt- und Landesauswahltrainer. Als dann die Stelle des Landestrainers ausgeschrieben wurde, habe ich mich einfach mal beworben. Als nach einem guten Bewerbungsgespräch dann der Anruf von HVS-Geschäftsführer Ronald Meier kam, musste ich mich zwar erst einmal zwicken, habe aber diese tolle Herausforderung dann gern angenommen.

Mit welchen Erwartungen hatten Sie sich um den Posten beworben?
Dietrich: Nach fast zehn Jahren beim SC Markranstädt habe ich eine neue Herausforderung gesucht, bei der ich mich im leistungsorientierten Handball weiterentwickeln und verwirklichen kann. Während meiner Tätigkeit als Landesauswahltrainer der Jahrgänge 1998 und 2000 bekam ich schon einen guten Eindruck davon, was einen Landestrainer während seiner täglichen Arbeit erwartet: Betreuung, Organisation und Durchführung von Auswahllehrgängen, tägliche Geschäftsstellenarbeit, Planung und Organisation von Sichtungsveranstaltungen, kooperative Zusammenarbeit mit den Landesleistungszentren, Traineraus- und -weiterbildung...

Haben sich die Erwartungen erfüllt?
Dietrich: Im Großen und Ganzen ja. Was mich in dieser Fülle aber überrascht hat, waren die schriftlichen und organisatorischen Aufgaben in der Zusammenarbeit mit dem Landessportbund Sachsen sowie bei der Planung und Durchführung der einzelnen Landesauswahl- und Sichtungsveranstaltungen. Unbedingt erwähnen möchte ich an dieser Stelle unser tolles HVS-Trainerteam und unseren Vizepräsidenten Nachwuchs, die mich großartig unterstützen. Auch wenn ich alle schon seit mehreren Jahren kenne, haben ihr Engagement und ihre Einstellung als Team Sachsen meine Erwartungen weit übertroffen.

Parallel zu Ihrem neuen Job haben Sie auch noch die A-Lizenz-Ausbildung aufgenommen. Warum gerade jetzt? Ist das nicht ein bisschen viel auf einmal?
Dietrich: Es war schon immer mein Ziel, die A-Lizenz des DHB zu erwerben. Durch meine Position als Landestrainer ist es nun zusätzlich mein eigener Anspruch, auch die höchste deutsche Trainerlizenz zu besitzen, um die Jungs und Mädels in unseren Landesauswahlteams sowie neue Trainerinnen und Trainer bestmöglich auszubilden. Natürlich war mein erstes Jahr als Landestrainer zusammen mit der A-Lizenz-Ausbildung besonders voll mit Terminen, aber so weiß ich wenigstens, dass es nicht noch mehr werden kann. Ich freue mich einfach riesig über die Herausforderung, Landestrainer des Handball-Verbandes Sachsen zu sein. Da nimmt man auch die eine oder andere Doppelbelastung auf sich.

Nach einem Jahr im Amt haben Sie den Komplettüberblick bekommen, werden nicht nur Bestehendes verwalten, sondern auch Neues gestalten wollen. Was ist Ihnen besonders wichtig?
Dietrich: In erster Linie sehe ich unsere jungen Handball-Talente in Sachsen, die ich gemeinsam mit den Vereins- und Landesauswahltrainern ausbilden und entwickeln möchte. Besonders wichtig erscheint mir dabei eine gute Zusammenarbeit mit unseren Vereinen und Spielbezirken. Insbesondere mit den Leistungszentren in Leipzig, Aue und Zwickau, den Talentstützpunkten und den beiden Eliteschulen des Sports in Leipzig arbeite ich daher sehr eng zusammen. Nur wenn Verband, Verein, Schule und Familie optimal vernetzt sind und zusammenarbeiten, kann man die Jungen und Mädchen optimal fördern und fordern. 

Wo wollen Sie außerdem Akzente setzen?
Dietrich: Ich verstehe meinen Job nicht nur darin, unseren Auswahl- und Sichtungsprozess zu optimieren. Ich möchte auch möglichst viel mit unseren jungen Talenten aktiv im Trainingsprozess arbeiten. Neben meiner eigenen Trainertätigkeit ist mir in diesem Zusammenhang auch die Aus- und Weiterbildung von Trainerinnen und Trainern besonders wichtig. Außerdem sehe ich mich als Bindeglied zwischen den verschiedenen Ebenen der Talentförderung – von den Spielkreisen und -bezirken bis zum DHB. Sachsen bei den DHB-Sichtungen und beim Länderpokal, der Deutschen Meisterschaft der Landesauswahlteams, bestmöglich zu vertreten, ist logischerweise mein eigener Anspruch.

Erfahrungen als Trainer haben Sie vor allem im Frauenhandball gesammelt. Liegt mit Ihnen als Landestrainer der Fokus mehr auf dem weiblichen Nachwuchs?
Dietrich: Das möchte ich sehr energisch verneinen. Es stimmt, dass ich bisher hauptsächlich im weiblichen Bereich tätig war, was aber keineswegs dazu führen wird, dass wir unseren Fokus mehr auf den weiblichen Nachwuchs legen werden. Ich habe schon immer auch den männlichen Bereich in Sachsen verfolgt. Viele Trainer kenne ich schon lange und stehe im regelmäßigen Austausch mit ihnen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in Sachsen im männlichen und weiblichen Bereich erfolgreichen Leistungs- und Nachwuchsleistungssport betreiben können. Dafür werde ich mich als Landestrainer voll und ganz einsetzen. Das kann ich zu hundert Prozent versichern.

Die deutschen Handball-Männer sind gerade Europameister geworden. Was versprechen Sie sich davon für die Nachwuchsarbeit?
Dietrich: Der Erfolg unserer Nationalmannschaften ist für die Entwicklung unsere Sportart von immenser Bedeutung. Da kommt der EM-Titel unserer Männer gerade recht. Ich hoffe, dass wir diesen Schwung auch in Sachsen nutzen können, um eine noch breitere Nachwuchsbasis zu schaffen und junge Talente bis hin zu Nationalspielerinnen und Nationalspielern zu entwickeln. Ich freue mich, zusammen mit dem gesamten HVS-Trainerteam meinen Teil dazu beitragen zu dürfen.