Punkt am Siebenmeterstrich verloren und gewonnen
21.03.2017 Männer Süd

Punkt am Siebenmeterstrich verloren und gewonnen

21.03.2017 · 3. Liga, Männer 3. Liga, Staffel Süd · Von: pm verein

Punkt am Siebenmeterstrich verloren und gewonnen

Handballkrimi in der Pfullinger Kurt-App-Halle: Der HC Oppenweiler/Backnang verballerte im württembergischen Duell der Dritten Handball-Liga beim VfL Pfullingen sage und schreibe sechs Siebenmeter – und rettete ausgerechnet durch einen Wurf von der Linie am Ende doch ein 22:22-Unentschieden. Lukas Köder behielt im rechten Moment die Nerven, das Remis war unter dem Strich auch leistungsgerecht.

Die Schlussminute bot Aufregung und Nervenkitzel in besonderem Maße. Erst brachte Christian Jabot den VfL mit einem Tor vom rechten Flügel in Führung – 22:21. Dann stürmte der HCOB zum letzten Angriff. Dieser wurde durch ein Foul unterbrochen. Der soeben gefeierte Jabot krallte sich den Ball, zog ihn zu sich heran und begrub ihn unter sich, ehe ihn Chris Hellerich hätte greifen können. Seine vermutliche Intention: Ein paar Sekunden Zeit von der Uhr nehmen. Er ahnte schnell, dass das nicht clever war, und so rückte er das Sportgerät flott wieder heraus, aber da war es schon passiert. Das Regelwerk kennt für den Versuch, in den letzten 30 Sekunden einen Freiwurf regelwidrig zu unterbinden, nur eine Möglichkeit: Rot für den Sünder und Strafwurf für die benachteiligte Mannschaft. Das Schiedsrichterteam Markus Fähnle aus Königsbronn und Jörg Schulle aus Oberkochen beriet deshalb auch nur kurz, stellte Jabot vom Platz und sprach dem HCOB einen Siebenmeterwurf zu. Lukas Köder schnappte sich die Kugel und verwandelte nervenstark zum 23:23.

Übers gesamte Spiel hinweg gesehen war das Remis für die Gastmannschaft eher zu wenig. In einem Duell zweier personell dezimierter Teams – der HCOB spielte ohne Tobias Hold und Jonas Frank, beim VfL Pfullingen fehlten Daniel Schliedermann, Lukas List, Nico Hiller und Micha Thiemann – hatten die Gäste in den ersten 20 Minuten klare Vorteile. Die Abwehr stand hervorragend, im Angriff nutzte der Gast die Räume, die die offensive Verteidigung der Pfullinger bot, weidlich aus, kam immer wieder zu besten Torgelegenheiten. Der HCOB zog auf 8:4 davon, aber das war zu wenig. Vier vergebene Siebenmeter, vier Lattentreffer, dazu vergebene Hundertprozentige – die Gastmannschaft hätte schon viel weiter vorne liegen können. In Überzahl verkürzte Pfullingen auf 6:8, erzielte gegen das offensiv nun nachlassende Team von Trainer Matthias Heineke dann sogar den Ausgleich und – per Siebenmeter – die 9:8-Pausenführung. Dieser Zwischenstand konnte die Gäste nicht zufriedenstellen.

In Durchgang zwei fanden die Gäste im Angriff zu mehr Treffsicherheit zurück. Rückraumspieler Kevin Wolf setzte wertvolle Akzente, der HCOB führte mit 14:13. Dann folgte die zweite Schwächephase, wieder setzte es fünf Gegentreffer in Serie. Auch in diesen Minuten leistete sich die Gastmannschaft Fehler im Aufbauspiel, die Pfullingen zu Kontern nutzte. Beim 18:14 schien die Partie zugunsten der Heimmannschaft zu kippen. Die Schützlinge von Trainer Till Fernow hatten sogar die Chance zur Fünf-Tore-Führung, scheiterten aber zweimal an Torwart Thomas Fink, der sein Team dadurch im Rennen hielt.

Und die letzten 18 Minuten der Begegnung erinnerten dann wieder stark an die ersten 20 Minuten. Der HCOB stabilisierte sich in der Abwehr, ließ kaum noch etwas zu. Benjamin Röhrle und Lukas Köder münzten Ballgewinne in Konter um, trafen zum Ausgleich, 19:19 (52. Minute). Der HCOB hatte die Chance zur Führung, Außenspieler Lukas Köder scheiterte nun aber an Simon Tölke, dem starken Pfullinger Schlussmann. Auf der Gegenseite kassierte Philipp Maurer eine Zeitstrafe. Der VfL, im Überzahlspiel zuvor arg unsortiert, schlug nun zu: Florian Möck und Robin Keupp sorgten für das 21:19. Doch die Gäste ließen nicht mehr locker. Röhrle verwandelte einen Siebenmeter, dann traf Köder per Konter zum 21:21. Beide Mannschaften hatten wiederholt die Chance zur Führung, sie ließen sie hüben wie drüben ungenutzt. Mit einem Unentschieden ging es in die Schlussminute, die es – siehe oben – in sich hatte. Am Ende war das Remis dann wohl das gerechte Ergebnis.

Matthias Heineke: „Bei einem Ergebnis von 22:22 sieht man, dass die besten Spieler auf beiden Seiten die Torhüter war. Wenn man berücksichtig, was wir über das ganze Spiel hinweg an guten Torchancen vergeben haben, dann ärgere ich mich schon über einen Punktverlust. Allerdings lagen wir in der zweiten Halbzeit fast immer hinten, darum können wir im Endeffekt auch glücklich sein, dass wir den Punkt mitgenommen haben.“

VfL Pfullingen: Daniel Schlipphak (n.e.), Simon Tölke (Tor), Timo Wolf, Christoph Klusch (2), David Wittlinger (5), Marc Breckel (1), Robin Keupp (3), Moritz Hipp, Christian Jabot (5), Florian Möck (2), Lennhard Müller, Paul Prinz (1), Patrick Bauer (n.e.), Maximilian Hertwig (3/1). – Trainer: Till Fernow.

HC Oppenweiler/Backnang: Sven Grathwohl (n.e.), Thomas Fink (Tor), Florian Frank (2), Chris Hellerich, Lukas Köder (4/2), Tom Kuhnle, Philipp Maurer (2), Benjamin Röhrle (3/1), Florian Schöbinger (1), Philipp Schöbinger (3), Ruben Sigle (1), Kevin Wolf (6/1). – Trainer: Matthias Heineke.

Schiedsrichter: Markus Fähnle (Königsbronn) und Jörg Schulle (Oberkochen).

Zuschauer: 700.

Siebenmeter: 1/2 : 4/10 (Hertwig wirft über das Tor – Röhrle wirft über das Tor und scheitert zweimal an Tölke, Maurer wirft am Tor vorbei, Wolf wirft über das Tor, Köder scheitert an Tölke).

Zeitstrafen: 8:6 Minuten (Prinz/zweimal, Breckel, Jabot/nach Disqualifikation – P. Schöbinger/zweimal, Maurer).

Disqualifikationen: Jabot (60./regelwidriges Verhindern der Freiwurfausführung).

Spielverlauf: 3:3, 4:8, 9:8 – 13:14, 18:14, 19:19, 22:22.

„Ich habe mit gar keine großen Gedanken gemacht“

Ein spielerisches Highlight war es nicht, das württembergische Duell zwischen dem VfL Pfullingen und dem HC Oppenweiler/Backnang lebte von der Spannung. Zum dritten Mal im vierten Duell auf Drittliga-Niveau stand am Ende eine Punkteteilung zu Buche.

HCOB-Trainer Matthias Heineke brachte es auf den Punkt: „Bei einem Ergebnis von 22:22 sieht man, dass die besten Spieler auf beiden Seiten die Torhüter war. Wenn man berücksichtig, was wir über das ganze Spiel hinweg an guten Torchancen vergeben haben, dann ärgere ich mich schon über einen Punktverlust. Allerdings lagen wir in der zweiten Halbzeit fast immer hinten, darum können wir im Endeffekt auch glücklich sein, dass wir den Punkt mitgenommen haben.“

Zu verdanken war das in allerletzter Instanz Lukas Köder, der Sekunden vor dem Ende zum Siebenmeter antrat und traf. Sechs von neun Strafwürfen hatten die Gäste bis dahin vergeben, auch die tolle Serie von Benjamin Röhrle, der vor dem Spiel in Pfullingen sage und schreibe 24 Siebenmeter in Folge verwandelte hatte, war gerissen. Köder schilderte seine Eindrücke vor dem Wurf: „Ich habe mir gar keine großen Gedanken gemacht. Ich wollte den Ball einfach nur für unser Team reinhauen. Den Druck habe ich nur kurz wahrgenommen, als ich gemerkt habe, wie laut die Halle war, aber das war dann vollends der letzte Ansporn.“

Die Entscheidung der Schiedsrichter, den Pfullinger Christian Jabot für das regelwidrige Verhindern der Freiwurfausführung vom Platz zu stellen und einen Siebenmeter anzuzeigen, war richtig; und es verdient Anerkennung, dass sie in dieser hektischen Situation diese erst vor dieser Saison eingeführte und äußerst selten umzusetzende Regelung auch zielstrebig umsetzten. HCOB-Handballer Chris Hellerich – er hatte vergebens versucht, den Ball vor der kleinen Versteckaktion aufzunehmen – gestand hernach, „dass ich damit gar nicht gerechnet habe. Ich war eigentlich für den allerersten Moment ganz froh, als die Zeit angehalten wurde.“