Füchse sind nicht zu stoppen
Auf der Berliner Bank skandierten sie längst „Finale“, als in der Melsunger Schulsporthalle am Freitagabend die Schlusssirene ertönte, der das Startkommando war, von der Bank aus das Feld zu stürmen und sich euphorisch um den Hals zu fallen. Die Gäste gestalteten nach dem 36:26-Hinspielsieg gegen Melsungen den zweiten Vergleich noch klarer und setzten sich mit 34:21 (16:10) durch. Die Mannschaft von Bob Hanning bog auf die Straße in Richtung Finale ein, während Melsungen das Stopp-Schild vor die Nase gesetzt bekam. Schluss mit der Saison 2020/21, Schluss für den Großteil der Mannschaft auch mit dem Jugendhandball. Fast alle stehen vor dem Übergang in den Seniorenbereich. Eine Mannschaft, die seit dem ersten C-Jugend-Jahr in beinahe unveränderter Besetzung spielte und vor zwei Jahren die deutsche B-Jugendmeisterschaft gewann, geht nun auseinander. Wenn bei jungen Männern die Tränen in den Augen stehen, dann ist das ein deutliches Indiz dafür, dass da über die Jahre etwas zusammengewachsen ist. „Natürlich kommen da die Emotionen hoch. Es war eine besondere Saison, aber auch ein besonderer Jahrgang, der in Erinnerung bleibt“, sagte JSG-Trainer Florian Maienschein nach dem Ausscheiden.
Die Nordhessen waren sich im Klaren darüber, dass sie ein Wunder brauchen, um die Saison verlängern. Erstens hatten die Füchse vor einer Woche mit ihrer riesigen Qualität eindrucksvoll vorgelegt, zweitens war ein stattlicher Kreis an Melsunger Spielern unter der Woche krank. Besonders bitter endete die Nachwuchs-Zeit für Melsungens Rückraum-Ass Ole Pregler, der verletzungsbedingt passen musste. Nach dem Abpfiff gab’s beim Handshake Trost von Berlins Trainer Bob Hanning und umgekehrt Glückwünsche für den überlegenen Auswärtssieg. Trotz des klaren Ergebnisses war Florian Maienschein stolz auf sein Team: „Die Jungs sollten das Spiel in vollen Zügen genießen und Spaß haben. Das haben sie getan. Sie haben noch einmal Charakter gezeigt.“
Dass die Reinickendorfer am Ende trotzdem mit 13 Toren Differenz vorne lagen, hatte viel mit ihrer Klasse zu tun. „Wir wussten, dass wir unsere Treffer erzielen. Die Aufgabe bestand darin, Gegentore zu verhindern. Uns war klar, wenn wir Melsungen bei 24 halten, werden wir das Spiel gewinnen“, erklärte Bob Hanning. Diese 24 Gegentore wurden es noch nicht einmal, sondern 21. Hanning: „Wir haben nicht nachgelassen. Melsungen fand keine Lösungen, weil wir konzentriert geblieben sind. Ich bin sehr zufrieden und positiv überrascht.“
Die Gastgeber versuchten alles, und das machte sich vor allem in der Anfangsphase bemerkbar. Mit großer Emotionalität legten sie eine minimale Führung vor. Die Maienschein-Sieben suchte ihre Chance im Tempo, aber nach der 4:3-Führung gab es die ersten Knackpunkte mit einem vergebenen Siebenmeter (die Berliner Torhüter Lasse Ludwig und Lennard Kull wehrten insgesamt vier von fünf Strafwürfen ab) und einem ausgelassenen Gegenstoß. Die Gäste übernahmen das Kommando und lagen zur Pause mit 16:10 in Führung. „Sie haben ihre Cleverness ausgespielt“, kommentierte Maienschein. Melsungens kleiner Glaube an eine Sensation war gebrochen, trotzdem versuchte sich die Mannschaft weiterhin so teuer wie möglich zu verkaufen. Mit einer Portion Härte in der Abwehr setzte man Berlin zu, aber auch davon ließen sich die Gäste nicht aus der Bahn werfen. Sie führten ihre Machtdemonstration bis zum Ende gnadenlos fort. (RW)