Olympiasieger und Vize-Weltmeister als Spieler, Weltmeister und EM-Zweiter als Trainer - Lothar Doering ist einer der ganz Großen des deutschen Handballs. Am Freitag (23. Oktober) feiert der gebürtige Potsdamer, der seit vielen Jahren in Leipzig lebt, seinen 70. Geburtstag. Bei den Männern des Bundesligisten SC DHfK Leipzig ist er häufiger zu Gast in der Arena, daneben geht „Lotte“ vor allem in seiner neuen Rolle als Großvater auf.
„Lothar Doering ist einer der herausragendsten Handballer, die wir überhaupt in unserer Geschichte erlebt haben: Olympiasieger 1980 in Moskau und Weltmeister 1993 als Trainer der Frauen-Nationalmannschaft – das ist eine einzigartige Kombination, die vor ihm noch niemand geschafft hat“, sagt Andreas Michelmann, Präsident des Deutschen Handballbundes. „Ich persönlich kann mir kaum vorstellen, dass Lotte schon 70 wird. Ich habe ihn noch immer als jungen Mann von den Fernsehbildern der Olympischen Spiele in Moskau vor Augen. Zum runden Geburtstag wünscht die gesamte Handball-Familie Lothar Doering alles Gute und vor allem Gesundheit.“
Seine aktive Zeit hatte Lothar Doering im Sommer 2016 als Trainer von Aufbau Altenburg beendet, bei der Frauen-Weltmeisterschaft 2017 war er Botschafter für den deutschen Spielort Leipzig - und das Handballgeschehen verfolgt der frühere DDR-Nationalspieler immer noch sehr intensiv.
Entdeckt wurde Doerings Talent vom späteren DDR-Nationaltrainer und „Vater des Olympiagolds von Moskau“, Paul Tiedemann. Der Potsdamer hatte sich „als ganz normaler Student“ an der DHfK Leipzig eingeschrieben - und wurde dann von Tiedemann für den Sportclub verpflichtet. 1976 und 1979 wurde Doering mit Leipzig DDR-Meister, seinen ersten großen Erfolg mit dem Nationalteam hatte schon früher gefeiert, als 24-Jähriger mit Silber bei der Heim-Weltmeisterschaft 1974, als die DDR erst im Finale (12:14) von Rumänien gestoppt wurde.
Sechs Jahre später der Karrierehöhepunkt als Spieler, der sensationelle Olympiasieg von Moskau, durch das 23:22 gegen den großen Favoriten Sowjetunion im Finale. Den letzten Treffer von Hans-Georg Beyer und die alles entscheidende Parade von Wieland Schmidt mit dem Schlusspfiff sah Doering allerdings nicht. Acht Minuten vor dem Ende hatte er seine dritte Zeitstrafe erhalten und musste nach den damals gültigen Regularien die Halle verlassen, eskortiert von zwei Polizisten. Im Raum des Hallenwarts wollte er die Schlussminuten am Fernseher verfolgen, doch dieser interessierte sich eher für Rudern. Erst nach dem Schlusspfiff durfte Lothar Doering wieder in die Halle - und erkannte erst an der Jubelorgie seiner Mannschaftskameraden, dass er gerade Olympiasieger geworden war.
Nach 78 Länderspielen mit insgesamt 181 Treffern für die DDR war später Schluss mit der Spielerkarriere, Doering wechselte aber fließend ins Trainerfach. Er übernahm die Leipziger Frauen, dann die DDR-Nationalmannschaft. Nach der Wende wurde Doering zum gesamtdeutschen Bundestrainer. „Es gab von beiden Seiten viel Druck auf mich, was die Nominierungen für die erste gesamtdeutsche Mannschaft betraf. Aber ich habe gleich gesagt: Hier zählt Handball und nicht Politik – und so stellte ich meine Mannschaft für die WM 1993 zusammen“, blickt Doering zurück, und ergänzt mit einem Grinsen: „Und nach der WM gab es auch keine Kritik mehr an irgendwelchen Nominierungen.“
Denn im norwegischen Oslo führte Doering die DHB-Auswahl zum WM-Titel - dem immer noch größten Erfolg einer Frauen-Nationalmannschaft seit der Wiedervereinigung. Nach einer Gala gegen die starken Österreicherinnen in der Hauptrunde wartete im Finale der große Favorit Dänemark, nach einer wahren Nervenschlacht feierten Bianca Urbanka, Andrea Bölk & Co. einen 22:21-Erfolg nach Verlängerung. Ein Jahr später, bei der ersten Europameisterschaft (und der der seither einzigen auf deutschem Boden) führte Doering die deutsche Mannschaft wieder ins Finale, wieder gegen Dänemark, doch dieses Mal hatten die Skandinavierinnen das bessere Ende für sich.
Doering trat ab, wurde durch Ingolf Wiegert (einen weiteren Olympiasieger von Moskau) ersetzt. Kurze Zeit später übernahm er die Männer des SC Magdeburg - just von Ingolf Wiegert, seinem Nachfolger beim DHB. Im Januar 1999 musste Doering, der kurz zuvor einen Herzinfarkt erlitten hatte, beim SCM gehen - und heuerte abermals als Frauen-Nationaltrainer an. Sein großes Ziel, die Qualifikation für Olympia 2000 verpasste er (abermals in Norwegen) als WM-Siebter aber um zwei Plätze.
Ende 1999 übergab er das Nationalteam wieder an Ekke Hoffmann, wurde später Trainer von Anhalt Bernburg, erlitt 2005 einen weiteren Herzinfarkt.
Seinen letzten Trainerposten bei den Männern von Aufbau Altenburg beendete er im Sommer 2017 nach fünf Jahren mit dem Wiederaufstieg in die Thüringen-Liga. Rückblickend auf 50 Jahre Handball weiß der Jubilar, wer entscheidend für seine Karriere war: „Paul Tiedemann habe ich alles zu verdanken.“
(BP)