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Der Weltmeister gibt sich die Ehre

29.09.2020

Die Spannung und Vorfreude bei Emmanuel Mayonnade ist mindestens so hoch wie bei Henk Groener - denn beide Trainer haben seit Mitte Dezember kein Länderspiel mit ihren Nationalmannschaften mehr bestritten. Nun ist es so weit: Am Donnerstag (18.15 Uhr) und Samstag (16.45 Uhr, beide live auf Sport 1) treffen beide in Lingen zu zwei Testspielen aufeinander.

Während die deutsche Frauen-Nationalmannschaft unter dem Niederländer Groener ohne das erhoffte Ticket zur Olympiaqualifikation und als Achter von der WM in Japan heimreiste, blieben der Franzose Mayonnade und die Niederländerinnen bis ganz zum Schluss - und feierten ausgiebig auf ihrem lange Heimflug von Kumamoto über Seoul nach Amsterdam - denn sie waren erstmals Weltmeister geworden.

Die Erfolgsgeschichte der Oranjes begann in Papendal bei Arnheim. 2006 - ein Jahr nach Rang fünf bei der WM in St. Petersburg - setzte der niederländische Handballverband seinen Masterplan um, 20 junge Handballerinnen ziehen in die Akademie Papendal ein. Spielerinnen wie Nycke Groot, Estevana Polmann, Lois Abbingh, Laura van der Heijden oder später Tess Wester, Yvett Broch und viele andere wurden in Papendal perfekt ausgebildet, wollten eigentlich bei der Heim-EM 2012 um Medaillen spielen, aber kurz vor der Gruppenauslosung musste der Verband aus finanziellen Gründen die EM an die EHF zurückgeben.

Dennoch hielt der Verband an seinem Talentprojekt fest, mit Recht, wie die Zukunft zeigte: Unter dem damaligen Bondscoach und heutigen Bundestrainer Henk Groener kam der große Durchbruch bei der WM 2015. Polman, Groot & Co. spielten sich wie in einen Rausch, zogen ins Finale ein - mussten dort allerdings erkennen, dass Norwegen doch noch ein bisschen zu groß ist. Aber sie feierten Silber statt dem verpassten Gold nachzutrauern - die erste Medaille überhaupt.

Und Schlag auf Schlag ging es weiter: Bei Olympia in Rio erreichten die Niederlande abermals das Halbfinale - und danach flossen Tränen: Erst die Niederlage gegen Frankreich, dann Spiel um Platz drei erneut gegen Norwegen verloren - keine Olympiamedaille für die Oranjes. Im Herbst 2016 folgte der Stabwechsel von Henk Groener auf die Dänin Helle Thomsen. Und die machte nahtlos dort weiter, wo Groener aufgehört hatte: Erneut standen die Niederlande bei der EM 2016 in Schweden im Finale - und nur um ein Tor verpassten sie die Goldmedaille, erneut gegen Norwegen.

Bei der WM 2017 in Deutschland und der EM 2018 in Frankreich folgten dann zwei weitere Halbfinalteilnahmen - und zweimal gab es Bronze: 2017 besiegten die Oranjes Schweden im Spiel um Platz drei, ein Jahr später Rumänien. In Japan waren die „Oranjes“ dann bereit für den großen Wurf: Unter dem Franzosen Emmanuel Mayonnade wurden Polman, Abbingh, Wester und Co. Weltmeister - nach einer Halbfinalgala gegen den großen Favoriten Russland und einen Zittersieg im Finale gegen Spanien, als erst ein finaler Strafwurf von Lois Abbingh mit dem Schlusspfiff die Goldmedaille bedeutete, und das direkte Olympiaticket nach Tokio.

Bei der WM stellten die Niederlande mit Polman die beste Turnierspielerin, mit Wester die beste Torfrau und mit Lois Abbingh die Torschützenkönigin (71 Treffer). Später wurde Mayonnade sogar als IHF-Welttrainer des Jahres ausgezeichnet.„Jetzt wollen wir auch Olympiagold“, meinte Kapitänin Danneck Snelder.

Aber auch für die Oranjes kam dann der Corona-Schock, die Länderspiele in Lingen sind die ersten Auftritte für sie nach der WM in Japan. Gegen die deutsche Mannschaft müssen sie auf zwei langzeitverletzte Spielmacherinnen verzichten: Estevana Polam und Delaila Amega von Borussia Dortmund, die sich vor zwei Wochen einen Kreuzbandriss zuzog. Ansonsten sind alle Stars - viele davon mit aktueller oder ehemaliger Bundesliga-Erfahrung - an Bord.

(BP)