Riesige Vorfreude und Luft nach oben
Mit dem Rückenwind von zwei Testspielesiegen gegen Brasilien und Ägypten reist die deutsche Männer-Nationalmannschaft am Mittwoch nach Japan. In Tokushima steht die letzte Vorbereitungswoche auf die Olympischen Spiele in Tokio an, wo am 24. Juli Spanien (9.15 Uhr MEZ) erster Gegner sein wird. Bundestrainer Alfred Gislason zieht in diesem Interview die Bilanz der ersten Lehrgangswoche, blickt aber auch auf Tokio hinaus.
Sind Sie mit der ersten Woche der Olympiavorbereitung zufrieden?
Alfred Gislason: Die Woche ist sehr gut gelaufen. Wir haben nicht hart trainiert, hatten dennoch lange Einheiten, in denen es viel um Taktik ging, anfangs in Sachen Abwehr, dann um den Angriff. Das war alles gut, wir haben uns in kurzer Zeit gut eingespielt, haben aber auch überall noch Luft nach oben.
Wie bewerten Sie die beiden Testspielsiege gegen Brasilien und Ägypten?
Alfred Gislason: Das waren zwei sehr unterschiedliche Spiele. Gegen die sehr offensive aggressive Abwehr der Brasilianer hatten wir anfangs Probleme, dann wurde es besser mit der Zeit. Grundsätzlich hatten wir eine ordentliche Abwehr, waren in der Defensive aber auch phasenweise zu passiv. Ägypten spielte einen ganz anderen, spanischen Stil. Sie sind körperlich sehr stark, sehr talentiert und gehören zum erweiterten Kreis der Titelkandidaten. Es war viele Gutes dabei, aber mit Blick auf Tokio weiß man nicht, wie viel die Mannschaften in der Vorbereitung gemacht haben. Wir hatten wenig Zeit, konnten daher die Belastung nicht hochfahren, beide Gegner hatten eine lange Vorbereitung. Erst in Tokio kann man sehen, wie die Entwicklung der Teams ist.
Wie sieht die weitere Vorbereitung in Japan aus?
Alfred Gislason: In Sachen Anreise ist es schwer vorherzusagen, wie wir mit den ganzen Formalitäten so durch die Sicherheitskontrollen kommen, dass wir den Weiterflug nach Tokushima schaffen und nicht in Tokio übernachten müssen. Ab dem 15. Juli stehen dort zweimal Training am Tag auf dem Programm, wir wollen Schritt für Schritt weiterkommen. Ich muss aber immer schauen, wie viel ich dem Team zumuten kann.
Was macht die Mannschaft stärker als bei der WM im Januar?
Alfred Gislason: Ganz sicher sind wir stärker in der Abwehr als in Ägypten. Alle drei Torhüter sind sehr gut drauf, das ist die Position mit der meisten Erfahrung, sie machen allen einen sehr guten Eindruck. Unsere Chancen in Tokio hängen sehr mit der Abwehr und Torhüterleistung zusammen, das ist unsere Bank, da müssen uns richtig gut präsentieren. Wir müssen uns noch steigern, vom Kader her haben wir aber eine sehr gute Abwehrmannschaft, aber eben nicht in der Breite, wenn es zu Verletzungen kommt. Der Innenblock hat in allen Varianten schon gut funktioniert. Hendrik Pekeler, Johannes Golla und Finn Lemke haben das gut gemacht.
Wie groß ist bei Ihnen die Vorfreude auf Olympia?
Alfred Gislason: Die ist bei mir sehr groß, ich freue mich riesig als Trainer zum ersten Mal bei Olympia zu sein, und dazu gleich mit Deutschland. Organisatorisch wissen wir nicht, was auf uns zukommt, wie das Leben im Olympischen Dorf ist, und ob wir andere Sportler sehen. Das scheint aktuell nicht möglich zu sein, es gibt sehr strenge Kontrollen, man soll kaum Kontakte haben. Das ist ein bisschen schade, aber wir werden versuchen, uns umso mehr auf Handball zu konzentrieren. Ohne Kontakte geht vieles verloren, denn das macht eigentlich Olympia aus, das ist eben nicht nur ein Handballturnier wie eine WM. Jeder Handballer hat seine Lieblingssportarten, man trifft die ganze Welt, die sieht man nur im Fernsehen, aber man trifft sie nicht. Mich betrifft es nicht, ich sitze nur am Computer zwischen den Spielen, für die Spieler ist das etwas anderes. Wir wollen trotzdem Spaß haben, locker bleiben und erfolgreich spielen.
Im ersten Vorrundenspiel geht es gegen Europameister Spanien, sind die schon ein Thema im Training?
Alfred Gislason: Spanien ist immer wieder Thema, eben weil es das erste Spiel ist. Bei der WM in Ägypten hat uns die Niederlage gegen Spanien sehr geärgert, weil wir das Spiel selber weggeben haben. Wir hatten Probleme in der Abwehr, aber einen starken Angriff, auch wenn wir den Sieg in den letzten zehn Minuten durch viele vergebene freie Chancen weggeben. Dieses Mal brauchen wir mehr Effektivität im Angriff. Spanien ist die erfahrenste Mannschaft im Welthandball, mit vielen Routiniers, eines der besten Teams weltweit.
Ist eine Medaille Ihr Ziel?
Alfred Gislason: Unser Ziel geben wir uns selbst, und unser Ziel ist, ein gutes Turnier zu spielen und ins Halbfinale zu kommen. Unsere Gegner sind aber sehr gut und wir werden auch ein bisschen Glück haben müssen.
(BP)