Lichtlein: "Unglaublich viele Erfahrungen gesammelt"
Der Sommer war für Nils Lichtlein sehr ereignisreich: Mit der U19-Nationalmannschaft gewann der Linkshänder in Nordmazedonien die Silbermedaille. Im Interview mit berlinerhandball spricht Lichtlein über die Erfahrungen des Nationalmannschaftssommers sowie die Ziele für die kommende Saison.
berlinerhandball: Herzlichen Glückwunsch zur Silbermedaille bei der U19-WM in Nordmazedonien. Wie fühlen Sie sich als Vize-Weltmeister?
Nils Lichtlein: "Vielen Dank. Ich fühle mich nicht groß anders als davor. Es ist natürlich eine Ehre gewesen, da zu spielen und bei diesem Weg dabei gewesen zu sein. Aber man ist trotzdem ein bisschen enttäuscht, dass es im Endeffekt im Finale dann doch nicht gereicht hat. Das ist immer der bittere Nebengeschmack, wenn man ein Finale verliert."
Woran lag es Ihrer Meinung nach?
Nils Lichtlein: "Wir haben im Finale nicht unser bestes Spiel abgeliefert. Vor allem unsere Abwehr stand nicht so gut wie im Halbfinale und im Viertelfinale. Das haben die Ägypter sehr gut ausgenutzt. Sie sind in die erste und zweite Welle gegangen und dort hat uns dann die nötige Zuordnung gefehlt."
Das war jetzt Ihre erste Weltmeisterschaft mit der U19. Was für Erfahrungen haben Sie dabei sammeln können?
Nils Lichtlein: "Richtig, im U19-Bereich war das meine erste WM. Ich konnte unglaublich viele Erfahrungen sammeln – egal ob sportlich oder menschlich, wie man mit anderen Ländern umgeht, wie man mit Niederlagen und Siegen umgeht. Es waren so viele Erfahrungen, dass ich die gar nicht alle aufzählen kann."
Wenn Sie die unterschiedlichen Mannschaften vergleichem, in denen Sie bisher gespielt haben (U17- und U19-Nationalmannschaft, Füchse Berlin, Berlin-Auswahl): Wo sind die Unterschiede, wo gibt es Gemeinsamkeiten?
Nils Lichtlein: "Ich glaube, dass die Gemeinsamkeit bei allen Mannschaften darin liegt, dass wir immer sehr breit aufgestellt sind. Dadurch sind wir immer schwer ausrechenbar. Man weiß bei uns nie, welches Abwehrsystem auf einen zukommt. Wir haben mehrere Variationen drauf. Es kann dann auch einfach sein, dass mal der eine oder der andere auf der Position einen guten Tag hat und dann kannst du halt nicht nur mit einem rechnen – anders als bei Mannschaften, die auf einen Superstar ausgerichtet sind."
Inwieweit war es für Sie von Vorteil, dass Sie seit ein paar Jahren bei den Füchsen Berlin spielen?
Nils Lichtlein: "Zum einen war ich die Belastung in einer gewissen Weise gewohnt – sowohl sportlich als auch teilweise psychisch. Die vielen Spiele im Länderpokal, oder auch in der A- und B-Jugend, der Druck, der in den Finals auf einen wartet, das ist man dann halt schon gewohnt, ist früher damit konfrontiert. Man lernt daraus, man findet für sich Wege, wie man damit umgeht."
Wie war während der Weltmeisterschaft der Kontakt zu Ihrer Familie?
Nils Lichtlein: "Meine Mutter war vor Ort und hat zugeschaut – die ganze WM lang. Das hat mich natürlich sehr gefreut. Der Rest der Familie hat Zuhause vor dem Fernseher mitgefiebert. Ansonsten gab es auch mal eine schriftliche Nachricht oder wir haben telefoniert."
Was waren Ihre Gedanken, als Sie von der Nominierung erfahren haben? Wären Sie lieber zu Ihren Eltern gefahren, da Sie sich ja bestimmt nicht sehr oft sehen.
Nils Lichtlein: "Ich habe den Vorteil, dass hier sehr viel mitgeplant wird und dass ich meine Ferien so hatte, dass ich meine Eltern vor der WM sehen konnte. Wäre ich nicht nominiert gewesen, wäre ich im Trainingslager gewesen. Also hat das für mich keinen großen Unterschied gemacht. Ich habe mich natürlich riesig gefreut, war aufgeregt: Meine erste WM, mein erstes großes internationales Turnier. Das war ich natürlich alles andere als traurig."
Wenn Sie jetzt mal den Blick in die Zukunft richten, wie sehen nach Ihrem ersten großen Turnier die Zielsetzungen für die Zukunft aus?
Nils Lichtlein: "Jetzt bin ich erst mal wieder im Verein. Da ist es das Ziel, sich mit den anderen gut einzuspielen und eine gute Saison zu spielen, um dann zu schauen, was in der Deutschen Meisterschaft geht. Meiner Meinung nach haben wir ein sehr starkes Team, das im Kampf um die Meisterschaft auf jeden Fall mitreden kann. Dann muss ich einfach mal schauen, was die Nationalmannschaft für mich bereithält, ob ich weiter bei der Vize-Weltmeister-Mannschaft bleibe oder ob ich wieder zu den Jüngeren gehe. Da hängt natürlich viel davon ab, wie wahrscheinlich es ist, nominiert zu werden – und für welches Turnier. Ich hoffe natürlich das Beste, aber das kann man im Voraus nie so richtig sagen."
Sie sind jetzt hier am SLZB in der zwölften Klasse, das heißt, dass das Abitur auch immer näher rückt. Oder machen Sie sich darüber jetzt noch überhaupt keine Gedanken?
Nils Lichtlein: "Doch. Natürlich versuche ich nebenbei meine schulische Karriere zu machen. Gerade jetzt, wo bei uns die Klausurphase wiederbeginnt, merkt man, was schulischer Stress eigentlich ist. Man versucht es zu kompensieren, aber man merkt auch, dass man irgendwo Grenzen hat und auch seine Regenrationspause braucht."
Sie sind ja jetzt kein Ur-Berliner. Ihre Eltern leben mehr als 500 Kilometer entfernt. Wie ist denn da der Rückhalt?
Nils Lichtlein: "Da kann ich mich wirklich nicht beschweren. Der Rückhalt von meiner Familie ist enorm. Zum einen verstehen sie alle, was ich handballerisch zu tun habe, was auch daran liegt, dass meine Familie handballverrückt ist. Zum anderen unterstützen mich meine Eltern wo es nur geht. Sie kommen hoch, wenn ich Probleme habe – oder auch mal keine. Wenn ich was brauche, sind sie jederzeit für mich da – egal ob das mental oder in einer anderen Art und Weise ist. Ich habe wirklich tolle Eltern."
Die Frage wurde Ihnen mit Sicherheit schon ziemlich oft gestellt: Sie haben einen sehr bekannten Verwandten in der Handball-Bundesliga. Sehen Sie sich? Tauschen Sie sich aus?
Nils Lichtlein: "Ja, man tauscht sich schon aus. Er ist mein Onkel und daher ein sehr enger Verwandter. Leider hat er mit Erlangen in dieser Saison schon in Berlin gespielt. Da konnte ich nicht zuschauen, weil wir den Berliner Sparkasse Cup hatten. Ansonsten wäre ich beim Spiel gewesen und hätte meinen Onkel angefeuert. Meine Mutter war zuerst beim Turnier und hat sich dann auch das Bundesligaspiel angeschaut. Eigentlich war es immer so, wenn mein Onkel hier gespielt hat, dass wir uns das Spiel angeschaut haben und danach noch zusammen waren. Wenn man sich nicht sieht, dann telefoniert man auch mal oder schreibt sich."
Kann er Ihnen als Torhüter überhaupt Tipps geben?
Nils Lichtleint: "Natürlich. Jetzt zwar nicht unbedingt spielerische Tipps, aber doch wie man mit besonderen Situationen umgeht. Er hat ja auch die Nationalmannschaft hinter sich, hat viele Erfahrungen gesammelt. Da kann er natürlich Ratschläge geben, wie man mit Situationen umgeht, die man vorher noch nicht erlebt hat."
Sie haben den Berliner Sparkasse Cup angesprochen, bei dem sie dominiert haben. Wie war dieses hochkarätig besetzte Turnier mit der WM zu vergleichen?
Nils Lichtlein: "Schwerer war ganz klar die WM. Dennoch konnte ich mich besser regenerieren, da ich nur ein Spiel am Tag absolvieren musste. Beim Berliner Sparkasse Cup haben wir die Torvorsprünge gehabt. Mit diesen im Rücken konnte ich mich dann viel besser wieder einspielen. Es hat einfach Spaß gemacht. Bei der WM war es ganz anders, weil wir gleich mit einer Niederlage gegen Portugal ins Turnier gegangen sind. Da waren der Druck und die Anspannung schon sehr groß."
Was wünschen Sie sich für die kommende Saison?
Nils Lichtlein: "Schulisch wünsche ich mir, dass ich die Jahrgangsstufe erfolgreich abschließe. Sportlich wünsche ich mir, dass wir mit den Füchsen wieder den Titel nach Berlin holen es für mich auch wieder für eine Nominierung in die Nationalmannschaft reicht, um dann bei der nächsten EM erneut möglichst erfolgreich sein zu dürfen."
Quelle: berlinerhandball