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„Wir müssen die optimalen Bedingungen schaffen“

30.08.2019

Was war gut, was ist verbesserungsfähig? Welche Konsequenzen werden gezogen – und was machen andere Nationen vielleicht besser? Diesen Fragen – und noch viel mehr – stellen sich Axel Kromer, DHB-Sportvorstand, und Jochen Beppler, DHB-Chef-Bundestrainer Nachwuchs, in dieser zweigeteilten Sommerbilanz. Im zweiten Teil geht es um die Beach-Turniere und die generellen Konsequenzen und Ausblicke speziell für die Nachwuchsarbeit des DHB.

Herr Kromer, wie sieht Ihre generelle Sommerbilanz aus?
Axel Kromer: "Wir haben längst mit der Analyse der Turniere begonnen und intern auch schon einige Konsequenzen besprochen und viele Gespräche geführt. Ein großes Thema ist die leistungssportliche Grundhaltung, die alle haben müssen, um einmal A-Nationalspielerin oder A-Nationalspieler zu werden. Diese müssen unsere Nationaltrainer zusammen mit den Vereinstrainern ganz klar vorgeben. Ein Trainer, der mich sehr geprägt hat, hatte immer gesagt „ich habe die Gesetze des Leistungssports nicht gemacht, aber ich kenne sie!“

Aber nicht nur in der Halle wurde diesen Sommer gespielt, auch im Beach-Handball standen drei Europameisterschaften mit deutscher Beteiligung an. Wie lautet dort Ihre Bilanz?
Axel Kromer: "Der Höhepunkt der Turniere in Polen war sicherlich die Bronzemedaille bei der weiblichen Jugend, die dritte EM-Medaille in dieser Altersklasse in Folge. Das zeigt, dass wir in diesem Bereich auf dem richtigen Weg sind. Der neunte Platz beim männlichen Nachwuchs klingt erst einmal schlecht, aber da haben wir nur ein Spiel verloren, und das im Shoot-Out – und beim Shoot-Out hatten wir generell einige Probleme. Trotz des neunten Platzes glaube ich, das sin dieser Mannschaft vier, fünf Spieler sind, die den Männer Druck machen können und die auf dem Sprung sind. Also lässt die Abschlussplatzierung nicht auf die Leistungsfähigkeit schließen.

Bei Männern und Frauen haben wir unser Ziel, die direkte Qualifikation für die WM 2020 in Italien, jeweils verpasst, aber wir hatten in beiden Turnieren auch die jeweils jüngste Mannschaft am Start. Daher konnten man auch nicht unbedingt mehr erwarten. Die Frauen haben gezeigt, dass sie eine Perspektive für die Zukunft haben, auch wenn der zehnte Platz nicht zufriedenstellend ist. Die Männer hatten das WM-Ticket als Sechster nur ganz knapp verpasst, da haben wir uns aber um eine Wildcard für die Weltmeisterschaft beworben. Denn dort könnte dieses junge Team wichtige Erfahrungen sammeln. Auch bei Männern und Frauen ist der Abstand zur Weltspitze geringer, als es die Platzierungen zeigen." 

Nochmal im Detail zurück zu den weiblichen Nachwuchsteams, die ihre EM-Turniere in Györ und Celje bestritten…
Jochen Beppler: "Mit dem Abschneiden unserer weiblichen Mannschaften bei den U17- und U19-Europameisterschaften sind wir nur bedingt zufrieden. Im gesamten weiblichen Bereich zeigt sich aktuell das Thema, das wir vor zehn, zwölf Jahren bei den Jungs hatten – nämlich, dass Verband und Vereine noch enger kooperieren müssen. Viele Spielerinnen laufen schon im Juniorinnenalter in der ersten Liga auf, aber die Qualität der Liga ist nicht mit der Qualität der 1. Bundesliga der Männer vergleichbar. Da bedarf es einer gemeinsamen Kraftanstrengung, um die Lücke zu schließen. Die U17 hat in diesem Sommer zwar die Hauptrunde erreicht, ihr fehlte es aber in den weiteren Partien vor allem an der Konstanz über 60 Minuten. Auch die Tatsache, dass sie trotz Gruppensieg leider mit null Punkten in die Hauptrunde ging, hatte die Chancen auf einen Halbfinaleinzug früh reduziert. Die U19 hingegen hatte sich hingegen schon durch eine schwache Vorrunde der Chance auf die Hauptrunde und einer Platzierung im oberen Drittel beraubt."

Welche Schritte stehen gerade bei den jungen Damen an?
Jochen Beppler: "Im weiblichen Bereich haben wir die Weiterentwicklung schon durch einige Maßnahmen angeschoben, unter anderem durch acht positionsspezifische Lehrgänge. Wir werden zudem unsere internationalen Kontakte noch intensivieren, um von den anderen zu lernen, wie wir es mit der Turnierteilnahme in Ungarn gezeigt haben oder im Gegenzug beim Turnier in Lübeck, wo es erstmals einen Nations Cup für weibliche Nationalteams gab. Im weiblichen Bereich ist vieles in Bewegung und  wir blicken natürlich auch nach Frankreich, Ungarn oder die Niederlande, wo wir uns die Akademien persönlich anschauen werden, um Impulse für unsere Arbeit zu finden. Wir wollen sehen, an welchen Stellschrauben wir noch drehen müssen. Auch die Einstellung eines Athletik-Bundestrainers sowie die künftige Stelle des Torwart-Bundestrainers gehören zu diesen Maßnahmen, von denen alle DHB-Teams profitieren sollen."

Axel Kromer: "Es geht uns aber nicht darum, andere Verbände zu kopieren, sondern mit offenen Augen zu registrieren, welche Dinge für uns interessant sind, die andere machen. Wir müssen auch sehen, was wir gut machen, und hinterfragen, was wir besser machen können, wo es passt, und wo es nicht passt. Kleinere Flächenländer haben andere Fördersysteme als Deutschland, und zum Beispiel in Frankreich ist die staatliche Förderung viel höher – das muss man anerkennen, kann man aber nicht auf Deutschland übertragen. Den Bedarf an diesen Mitteln für den Spitzensport darf man aber deshalb nicht verleugnen. Auf dem Weg zur Goldmedaille kann man sich die Konkurrenz nicht aussuchen.

Aber da sind wir auch wieder bei der Mentalität und Einsatzbereitschaft: In einigen Ländern wird intensiver trainiert, und da müssen unsere Spieler auch mal in diese Intensitätsbereich gehen. Wir müssen sie fordern, aber ihnen auch die Möglichkeiten geben, gefordert zu werden, wenn sie Leistungssport betreiben wollen. Wir müssen die optimalen Bedingungen schaffen, damit sich Erfolge einstellen. Wir müssen einfach die Gesetzmäßigkeiten des Leistungssports nach vorne kehren und unseren Spielern aufzeigen, wo die internationalen Standards liegen und wie man leistungssportlich arbeiten muss, um zu gewinnen. Es geht nicht um die duale Karriere mit Schule und Beruf, sondern um das Freizeitverhalten der Spieler. Da müssen alle anderen Dinge eben hintenanstehen, wenn der Handball ruft. Das muss ich als Spieler selbst verfolgen und als Verband anbieten"

(Interview BP)