Die große Bilanz des Nachwuchssommers
Was war gut, was ist verbesserungsfähig? Welche Konsequenzen werden gezogen – und was machen andere Nationen vielleicht besser? Diesen Fragen – und noch viel mehr – stellen sich Axel Kromer, DHB-Sportvorstand, und Jochen Beppler, DHB-Chef-Bundestrainer Nachwuchs, in dieser zweigeteilten Sommerbilanz.
Die männliche U19 gewann erstmals WM-Silber in Skopje, die U17 die gleiche Medaillenfarbe beim EYOF, die hoch gehandelte U21 verpasste bei der WM in Spanien allerdings das Viertelfinale und wurde Neunter.
Nicht ganz so erfolgreich war der Sommer für die weiblichen Nachwuchsteams des DHB: Die U17 wurde EM-Siebter, die U19 EM-Neunter – zumindest erreichten beiden Teams mit dem Ticket für die Weltmeisterschaften in 2020 das Minimalziel. Teil eins des Doppel-Interviews widmet sich den Analysen dieser Turniere. Im zweiten Teil geht es um die Beach-Turniere und die generellen Konsequenzen und Ausblicke speziell für die Nachwuchsarbeit des DHB.
Fangen wir von hinten an, denn die Letzten waren die Besten in diesem Sommer. Wie bewerten Sie die Silbermedaille der männlichen U19 bei der Weltmeisterschaft in Skopje?
Axel Kromer: „Das war ein toller Erfolg, eine positive Überraschung. Dass wir mit dieser Mannschaft für den DHB die bisher beste Platzierung in dieser Altersklasse erreichen würden, war so nicht unbedingt erwartet worden, auch wenn sie vor zwei Jahren schon den Sieg beim EYOF eingefahren hatte. Dieser Erfolg hat sehr gut getan, nachdem wir bei den vorherigen Welt- und Europameisterschaften des Sommers nicht so erfolgreich waren, wie wir es sein wollten. Das war ein schönes Pflaster auf dieser Wunde, die Wunde ist deshalb aber trotzdem noch da!“
Jochen Beppler: „Das war ein eindrucksvolles Turnier der deutschen Mannschaft, nicht erst in den K.o.-Spielen. Mich hat schon der Sieg gegen Tunesien begeistert, als sich die Mannschaft nach der Niederlage im Auftaktspiel gegen Portugal selbst aus dem Schlammassel zog. Ich denke, dieses Spiel war die Grundlage für den restlichen Turnierverlauf, da wurde der Bock umgestoßen. Von Spiel zu Spiel ging dann die Entwicklung weiter, mit dem absoluten Höhepunkt im Halbfinale gegen Dänemark.“
Die U17 gewann zunächst die Ruhr Games, dann zweimal gegen Frankreich und schließlich in anderer Besetzung Silber beim EYOF in Baku. Wie bewerten Sie deren Leistungen?
Jochen Beppler: „Für die männliche U17 war es natürlich ein Supersommer, und in diesen Jahrgängen haben wir eine riesige Breite im Kader. Wie bei der U19 haben wir in dieser Altersklasse Dänemark und Frankreich hinter uns gelassen. Nach dem Halbfinale haben der U17 zudem drei Spieler verletzungsbedingt gefehlt, was die Mannschaft im Kollektiv hervorragend kompensiert hat. Gerade dieses Turnier oder die Länderspiele beim DFJW, wo wir vor 3000 Zuschauern in Minden ein tolles Spiel geliefert haben, sind für viele Spieler hoffentlich die Initialzündung, um in ihre weitere Karriere weiter und noch mehr zu investieren.
Am Beispiel Nils Lichtlein, der altersmäßig eigentlich noch zum B-Jugendjahrgang gehört hätte, kann man allerdings auch sehr gut zeigen, dass es in diesem Alter nicht ausschließlich um Ergebnisse, sondern vor allem um die Entwicklung der Spielerinnen und Spieler geht. Anstatt bei der U17 zu spielen oder gar beide Turniere zu bestreiten, kam Nils ausschließlich bei der U19 zum Einsatz und hat sich dort als wichtiger Spieler erwiesen.“
Heißt das, im männlichen Bereich sieht es besser aus als im weiblichen?
Jochen Beppler: „Beide männlichen Teams – U17 und U19 - hatten einen sehr intensiven Fokus bei ihren Turnieren, man hat diesen Spielern angemerkt, dass sie alle das Ziel haben, einmal A-Nationalspieler zu werden. Ich denke, die EM in Österreich und Italien für die neue U18 und die EM in Celje für die U20 wird sie schon im nächsten Jahr weiter voranbringen. Da Martin Heuberger schon eine Woche bei der WM in Skopje war, kennt er die Mannschaft sehr gut und umgekehrt. Dass es deswegen per se im männlichen Bereich besser als im weiblichen Bereich ausschaut, würde ich nicht sagen. Die zwei Medaillen müssen richtig eingeordnet werden.“
Axel Kromer: „Genau. Wir dürfen uns von den zwei Silbermedaillen der männlichen Jugend beim EYOF und der U19-WM nicht blenden lassen, sondern wir müssen hart daran arbeiten, in allen Altersklassen unser Ziel Halbfinale zu erreichen, was wir uns neben Entwicklungszielen als DHB-Ergebnisziele auf die Fahnen geschrieben haben.“
Jochen Beppler: „Bei der U19- und der U21-WM wurden wir in die Gruppe gelost, in der auch der Ozeanien-Nachrücker spielt – und wir verlieren gegen beide starke Nationen, Dänemark und Portugal. Dies und die gesamten Ergebnisse zeigen, wie eng und ausgeglichen es zugeht und wie gering der Abstand an der Spitze ist. Portugal zählt in der U21 mit der ersten Sieben zu den Top 3 der Welt, aber da fehlt etwas die Breite. Je später du also gegen eine solche Mannschaft in einem Turnier spielst, desto weniger Kräfte haben sie noch. Im Achtelfinale lief der Motor hingegen noch rund.“
Im zweiten Teil des großen Sommerfazits mit Axel Kromer und Jochen Beppler geht es am Freitag um die Beach-Europameisterschaften sowie die Konsequenzen des Sommers für die Nachwuchsarbeit.
(Interview BP)