„Frauen-Handball ist schlechter? Das lasse ich nicht mehr gelten!“
Handball, der Männersport? Das sehen Monika Wöhler (75), Vorsitzende des Bremer Handballverbands und DHB-Vizepräsidentin, und Verena Svensson (37), Vorsitzende der DHB-Frauenkommission, ganz anders. Sie fordern: Macht den deutschen Frauen-Handball sichtbarer – und ändert Eure Einstellung! Ein Interview.
Frau Wöhler, Frau Svensson, ein ganz subjektiver Eindruck: Es gibt wesentlich weniger Frauen, die sich im deutschen Handball engagieren. Woran liegt’s?
Monika Wöhler: Tja, es wäre schön, wenn wir das beantworten könnten. Da wüssten wir auch gern mehr. Allerdings stimmt der Eindruck nicht ganz: Für die Funktionen in offiziellen Gremien der Landesverbände und im DHB mag er noch zutreffen, für die Basis aber nicht. Es gibt unheimlich viele Frauen, die sich ehrenamtlich in den Handballvereinen engagieren, insbesondere im Kinder- und Jugendbereich.
Zustimmung, Frau Svensson?
Verena Svensson: Absolut! Das deckt sich mit meiner Ansicht. Wir sehen in den „sichtbaren“ Positionen – dort, wo man sich für längere Zeit verpflichtet – vor allem Männer. Aber es gibt sehr viele engagierte Frauen und Mütter, die in Vereinen eine wichtige Rolle spielen. Allerdings scheinen Aufgaben in den Kreis-, Landesverbänden oder dem DHB weniger attraktiv für Frauen zu sein und sie streben sie teilweise nicht an. Andererseits werden sie sicherlich auch seltener gefragt als Männer. Und genau daran und and den attraktiven Bedingungen des Ehrenamts müssen wir arbeiten.
Was glauben Sie: Woher kommt mein Eindruck?
Monika Wöhler: Einerseits, weil man schnell von den Funktionärs-Positionen auf den Handball insgesamt schließt. Aber auch, weil Frauen-Handball in Deutschland weniger populär ist. Sie erhalten wesentlich weniger Fernsehpräsenz und Sponsoringgelder als der Männer-Handball.
Es geht um Sichtbarkeit.
Verena Svensson: Ja, die Sichtbarkeit ist das Problem – sowohl im Funktionärsbereich als auch im Spiel. Klar, die Männer haben eine sehr starke Liga. Aber sie sind auch wesentlich stärker professionalisiert und häufiger in den Medien präsent. Und auch bei den Frauen haben wir große Handballtalente. Talente, um die uns andere Nationen im Übrigen beneiden.
Apropos: Sind andere Länder weiter, was die Rolle von Frauen im Handball angeht?
Verena Svensson: Die skandinavischen Länder sind sicherlich ein Vorbild für uns. Dort hat man auf Funktionärsebene sehr früh darauf geachtet, dass genug Frauen in den Gremien aktiv sind. Allerdings ist das kein Handball-spezifisches Phänomen, sondern ein Spiegel der Gesellschaft. In Skandinavien nehmen Frauen in der Gesellschaft grundsätzlich eine andere Position ein.
Blicken wir wieder auf den deutschen Handball – und lassen Zahlen sprechen. Wie stark ist der Frauen-Handball im Vergleich zum Männer-Handball in Deutschland?
Monika Wöhler: Die Zahlen sind eindeutig. Frauen gehören ganz genauso zur deutschen Handball-Landschaft wie Männer. Ich habe mal nachgesehen: Im DHB sind 3.300 Frauen- und 5.100 Männer-Mannschaften gemeldet. Im Jugendbereich reden wir von 5.000 weiblichen Mannschaften und 6.800 männlichen. Klar, Frauen sind im Handball unterrepräsentiert. Aber Bedeutungslosigkeit ist das nicht gerade.
Und die vergangenen Jahre sprechen klar für eine steigende Bedeutung des Frauen-Handballs in Deutschland. Frau Wöhler, wenn Sie auf die letzten zehn, vielleicht 20 Jahre zurückblicken …
Monika Wöhler: … sehe ich eine gute Entwicklung für den Frauen-Handball! Alleine, was die Leistung angeht. Das hat vor zehn Jahren noch ganz anders ausgesehen. Heute kann ich voller Überzeugung sagen: Frauen-Handballspiele sind ganz anders als Männer-Handballspiele, aber oft genauso attraktiv und spannend. Frauen-Handball ist schlechter? Das lasse ich nicht mehr gelten.
Aber der Weg ist sicherlich noch nicht zu Ende, oder?
Verena Svensson: Nein, aber es entwickelt sich etwas – und das spürt man. Wir sehen eine Professionalisierung. Und wir sehen, dass es inzwischen Regionen gibt, in denen Frauen-Handball einen großen Stellenwert hat. Echte Hochburgen! Diese Entwicklung gibt‘s – zwar langsam, aber dafür stetig – übrigens auch in Funktionärs-Ämtern. Maren Baumbach als Teammanagerin der Frauen-Nationalmannschaft ist ein sehr gutes Beispiel. Und die Rhein-Neckar Löwen haben inzwischen mit Jennifer Kettemann bereits seit einigen Jahren eine Geschäftsführerin, die seit dem Sommer auch zum Präsidium der Männer-Bundesliga zählt.
Wie ließe sich diese Entwicklung denn weiter vorantreiben? Was kann man unternehmen?
Monika Wöhler: Da brauchen wir Kreativität und Mut. Vielleicht wäre es wäre möglich und gut, wenn sich die beiden Ligaverbände der Frauen und Männer als Organisationen zusammenschlössen. Das könnte sich für die Frauen und damit auch den gesamten Handball sicherlich positiv auswirken.
Und auf Verbandsebene?
Verena Svensson: Da müssen wir insgesamt diverser werden. Ein Schritt in diese Richtung: Wir sollen demnächst nicht mehr Frauenkommission, sondern Gleichstellungskommission heißen. Was diese Entwicklung aber in erster Linie bremst, liegt auf der Meta-Ebene. Die grundsätzliche Einstellung zu Frauen-Handball muss sich ändern. Handball wird immer noch mit Männlichkeit und Wucht assoziiert. Es muss sich die Erkenntnis durchsetzen, dass Frauen-Handball einfach ein etwas anderes Spiel ist – nicht weniger gut, sondern weniger körperlich, und außerdem taktisch grundverschieden.
(Silas Schefers)