Athen 2004: Erst der Thriller, dann Silber

16.07.2021

Ein episches Viertelfinale, das als eines der größten Spiele der deutschen Handball-Männer-Nationalmannschaft in die Geschichte eingeht, dann eine Endspielniederlage gegen eine Mannschaft, gegen die man ein Jahr zuvor bereits ein Finale verloren hatte – das sind die beiden Dinge, die aus Handballersicht von Olympia 2004 in Athen in Erinnerung bleiben. Und natürlich der Lorbeer auf dem Kopf der deutschen Spieler, als sie ihre Silbermedaillen entgegennehmen, das erste Edelmetall für den deutschen Handball seit Silber 1984 in Los Angeles.

Exakt am 29. August 2004 – und damit rund sieben Monate nach dem ersten EM-Titel - gewann die deutsche Männer-Nationalmannschaft, jene goldene Generation, die Silbermedaille in Athen. Danach hatte es in der Vorrunde nicht unbedingt ausgesehen. Nach den deutlichen Pflichtsiegen gegen Griechenland und Ägypten verlor die Mannschaft von Bundestrainer Heiner Brand gegen beide europäischen Konkurrenten Ungarn und Frankreich, beendete die Vorrunde auf Rang drei – und wie 2000 in Athen kam es zu einem Viertelfinale gegen Spanien.
Und das wurde zu einer erneuten Nervenschlacht, diesmal mit Happy-End: Nach 80 Spielminuten und einem Strafwurfdrama jubelte Deutschland. Dank einer Weltklasseleistung von Keeper Henning Fritz und der Nervenstärke von Daniel Stephan zog die DHB-Auswahl durch ein 32:30 (30:30, 28:28, 27:27, 15:16) nach Siebenmeterwerfen ins Halbfinale ein. Die Garanten für den Sieg waren Stephan (8 Tore) und Christian Schwarzer (9) vom TBV Lemgo, die neben dem überragenden Torwart Henning Fritz (THW Kiel) überzeugten.

Stephan riss schon vor dem alles entscheidenden Wurf in der ersten Hälfte der Verlängerung ein fast verloren geglaubtes Spiel aus dem Feuer, als er beim Stand von 26:27 per Siebenmeter ausglich und seine Mannschaft im Turnier hielt. Torhüter Fritz brachte die Spanier mit gleich drei abgewehrten Siebenmetern zur Verzweiflung. „Für mich war es das Größte. Zwei Mal Verlängerung und Siebenmeterschießen, das habe ich noch nie erlebt. Dass man solche Spiele gewinnt, macht eine große Mannschaft aus“, jubelte Fritz.

Das Halbfinale gegen Russland war dann eher eine Abwehrschlacht, in den ersten 30 Minuten gelangen Deutschland beim 9:10 nur neun Treffer, aber die zweite Hälfte war überragend: Fritz kassierte nur noch fünf Gegentreffer, Deutschland zog durch ein am Ende souveränes 21:15 ins dritte Olympia-Finale nach 1980 (DDR) und 1984 (BRD) ein.

Wie schon bei der WM 2003 in Portugal hieß der Endspielgegner Kroatien, wie ein Jahr zuvor verlor die DHB-Auswahl, weil sie immer wieder am überragenden kroatischen Torwart Vlado Sola scheiterte. „Ich kann mich über dieses Silber nicht wirklich freuen", trauerte Stefan Kretzschmar dem 24:26 (12:11) nach. Wegen einer Rückenverletzung fehlte Pascal Hens im Endspiel, was eine entscheidende Schwächung war. Kretzschmar war mit neun Treffern bester deutscher Werfer im Finale und mit insgesamt 44 Treffern fünfbester Torschütze in Athen. Torwart Henning Fritz und Kreisläufer Christian Schwarzer wurden als erste Deutsche überhaupt in ein Olympisches All-Star-Team berufen. „Es macht einen natürlich stolz, dass wir Silber geholt haben, aber wenn man so weit gekommen ist, will man natürlich Gold“, sagte Fritz: „Die Kroaten waren nicht unschlagbar. Wir hätten unsterblich werden können.“ Das Balkanteam wurde zum zweiten Mal nach 1996 Olympiasieger.

Das Turnier, für das sich die deutschen Frauen nicht qualifizieren konnten, hatte indes spaßig begonnen: Weil die DHB-Handballer am Tag nach der Eröffnungsfeier spielen mussten, durften sie nicht mit der deutschen Mannschaft ins Olympiastadion einlaufen – und machten im Olympischen Dorf ihre eigene Zeremonie in der offizielle Mannschaftskleidung: khakibraunes Jacket, khakibraune Hose, apricotfarbene Krawatte, Hut, dazu Badelatschen. Sie marschierten aus der Tiefgarage nach draußen, Fahnenträger war Christian Ramota, mit Besenstil und oben an gebasteltem Fähnchen. Hinter ihm der Rest der Truppe mit den Fähnchen nach links und rechts artig winkend. Dass die Deutschen im Safari-Look ums eigene Haus im Olympischen Dorf marschierten, sprach sich fix rum. „Viele haben mit uns gefeiert, geklatscht, andere aber auch nur den Kopf geschüttelt“, erinnert sich Fritz.

Der deutsche Kader: Christian Ramota, Henning Fritz; Markus Baur, Mark Dragunski, Pascal Hens, Jan-Olaf Immel, Torsten Jansen, Florian Kehrmann, Stefan Kretzschmar, Klaus-Dieter Petersen, Christian Schwarzer, Christian Zeitz, Daniel Stephan, Volker Zerbe, Frank von Behren, Trainer: Heiner Brand

Deutsche Ergebnisse:
Vorrunde:
28:18 gegen Griechenland, 26:14 gegen Ägypten, 34:21 gegen Brasilien, 29:30 gegen Ungarn, 22:27 gegen Frankreich – Viertelfinale: 32:30 (15:16, 27:27, 30:30)) nach Siebenmeterwerfen gegen Spanien – Halbfinale: 21:15 (9:10) gegen Russland – Finale: 28:24 (11:12) gegen Kroatien

 

Abschlussklassement Männer:
Gold: Kroatien, Silber : Deutschland, Bronze : Russland, 4. Ungarn, 5. Frankreich, 6. Griechenland,, 7. Spanien, 8. Südkorea, 9. Island, 10. Brasilien, 11. Slowenien, 12. Ägypten

 

Abschlussklassement Frauen:
Gold: Dänemark, Silber: Südkorea, Bronze: Ukraine, 4. Frankreich, 5. Ungarn, 6. Spanien, 7. Brasilien, 8. China, 9. Angola, 10. Griechenland

(BP)