Die deutschen Spitzenschiedsrichter*innen sind offiziell in die Saison 2021/22 gestartet: Nachdem die Corona-Regelungen im Vorjahr dafür sorgten, dass die Gespanne in fünf Regionallehrgängen geschult und vorbereitet werden mussten, kamen die Schiedsrichter*innen unter Leitung von DHB-Leiter Lehre Schiedsrichterwesen Kay Holm sowie der neuen Leiterin des DHB-Schiedsrichterwesens Jutta Ehrmann-Wolf zu den traditionell zwei Lehrgängen in Halberstadt zusammen. Zunächst der Bundesliga- und Nachwuchskader, am vergangenen Wochenende der Elitekader und der Elite-Anschlusskader.
Holm und Ehrmann-Wolf sowie die Fach-Referenten wie Nils Blümel (als Sprecher der Schiedsrichter*innen), Jürgen Rieber, Frank Wenz, Thorsten Zacharias, Nils Szuka und Peter Behrens legten größten Wert auf Interaktivität und viele Diskussionen unter den Gespannen - zum Beispiel bei einem Kernthema der Lehrgänge: Entscheidungen in der letzten Spielminute. Diese Thematik wurde mit aktuellen Videos aus der Bundesliga und ganz frisch vom olympischen Vorrundenspiel Deutschland gegen Spanien unterfüttert.
„Für uns war wichtig, wie sich Schiedsrichter*innen gerade in Auszeiten in der Schlussminute noch einmal fokussieren sowie mental und körperlich bereit sind, die richtigen Entscheidungen zu treffen und den Überblick zu bewahren”, sagt Holm. „Zudem soll natürlich eine Linie, die man 59 Minuten beibehalten hatte, nicht für 60 Sekunden geändert werden. Diese Entscheidungen stehen naturgemäß unter ganz besonderer Beobachtung und werden unter großem Stress gefällt. Mit dieser Linie steht und fällt die Akzeptanz der Schiedsrichter*innen.“
In diesem Zusammenhang wurde auch besprochen, wie die Delegierten die Schiedsrichter*innen gerade in den Schlussminuten unterstützen können. Ein Aspekt, der auch beim nächsten Delegierten-Lehrgang noch einmal thematisiert wird.
Ein weiterer wichtiger Punkt war die Rückkehr der Zuschauer*innen und wie die Atmosphäre die Schiedsrichter*innen und ihre Entscheidungen beeinflussen kann. „Wenn plötzlich wieder 10.000 Fans in der Halle sind, ist das ganz anders als bei Geisterspielen. Darauf müssen unsere Gespanne wieder vorbereitet werden“, sagt Holm. Zudem wurden zahlreiche Regelfragen diskutiert, zum Beispiel mit dem Fokus auf Offensivfouls. Aus der Vorsaison stand das Thema „Siebenmeter-Entscheidungen“ noch auf der Tagesordnung. „Da waren wir insgesamt nicht so zufrieden, das haben wir auch angemerkt“, meint der Leiter Lehre.
Gemeinsam mit der früheren Nationaltorfrau und heutigen DHB-Sportpsychologin Katja Kramarczyk wird in den nächsten Wochen und Monaten das Thema „mentale Stärke“ noch intensiver auf die Tagesordnung kommen. Mit den aktuellen körperlichen Fitnesswerten waren die Referenten indes zufrieden. Wie man Fitness und richtige Entscheidungen unter Stress noch besser trainieren kann, zeigten die Dozenten der Universität Oldenburg, die die Ergebnisse einer Schiedsrichter-Studie präsentierten. In einem Feldversuch wurde der Yoyo-Fitnesstest mit Entscheidungen zu Spielsituationen (auf Video) kombiniert - und so gezeigt, wie wichtig körperliche Fitness für die richtige Entscheidungsfindung ist. Weitere inhaltliche Themenschwerpunkte waren das Stellungsspiel, die Aussprache zu „Quo Vadis, Verwarnungen“ und ein genereller Ausblick auf die neue Saison.
Der Umgang mit Verwarnungen war ein zentrales Thema der Tage in Halberstadt. Die Verwarnung soll zukünftig verstärkt dem Sinn der Regel entsprechend eingesetzt werden: Ein Signal an den/ die Spieler*in und dessen/ deren Mannschaft geben, dass der entsprechende körperliche Einsatz grenzüberschreitend war. Weitere Vergehen der gleichen Artführen dann zu Hinausstellungen. In der Vergangenheit wurden oft Verwarnungen nach Torerfolg oder Siebenmeter-Entscheidungen gegeben, die ihre Wirkung verfehlten und teilweise nicht einmal zur Kenntnis genommen wurden. Peter Behrens, ehemaliger Spitzenschiedsrichter und Mitglied im Schiedsrichter-Lehrstab des DHB, machte in seinem Beitrag deutlich, dass hier eine klarere Linie verfolgt werden soll.
Zudem wurde auch - wie schon traditionell - die Trainersicht auf aktuelle Schiedsrichterthemen eingebettet. Live von der U17-EM in Montenegro war Jochen Beppler, der Chef-Bundestrainer Nachwuchs, zugeschaltet, der zur vor bei den Olympischen Spielen als IHF-Analyst im Einsatz und unter anderem auch für die Schiedsrichtervorbereitung zuständig war. Vor Ort in Halberstadt dozierte André Haber, Trainer des Erstligisten SC DHfK Leipzig, zu „Auslösehandlungen im Angriff - Abwehrverhalten und Fokus für Schiedsrichter“.
Diesen Austausch mit den Toptrainern findet nicht nur Kay Holm sehr wichtig für die Entwicklung der Spitzenschiedsrichter in Deutschland. „Wir waren insgesamt froh, dass wir - natürlich getreu aller Corona-Regelungen - wieder gemeinsam arbeiten konnten. Das war sehr intensiv, und wir haben zudem schon die Themen für den Herbst- und Winterlehrgang auf den Weg gebracht“, fasst Holm die vergangenen beiden Wochenenden zusammen. „Insgesamt haben wir in Halberstadt perfekte Bedingungen vorgefunden, was die Möglichkeiten für Theorie und Praxis betrafen“, lobte Holm den Gastgeber Halberstadt.
„Kay Holm in seiner Funktion als Leiter Lehre und Nils Szuka als Leiter Organisation haben die Lehrgänge im Vorfeld hervorragend vorbereitet und die Rahmenbedingungen in Halberstadt waren traditionell optimal. Es waren für uns als neue Führungsregie die ersten Lehrgänge und die Feuertaufe kann insgesamt als gelungen bewertet werden,“ freut sich Jutta-Ehrmann-Wolf über einen erfolgreichen Ablauf der Schiedsrichterlehrgänge.
(BP)