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Interview Frank von Behren: „Die jungen Spieler müssen in die Situation gebracht werden, Verantwortung zu übernehmen“

03.05.2018
03.05.2018 · Jugend-Bundesliga, JBLH männlich, Slider, Home · Von: cb

Interview Frank von Behren: „Die jungen Spieler müssen in die Situation gebracht werden, Verantwortung zu übernehmen“

Frank von Behren ist Sportlicher Leiter bei GWD Minden und wurde 1995 mit der A-Jugend der Mindener selber Deutscher Meister. Nun spricht der 167-fache Nationalspieler, der auch die Kapitänsbinde der DHB-Auswahl trug und am Freitag als Experte neben Moderator Carsten Dehne fungieren wird, über die Bedeutung der Deutschen Jugendmeisterschaft. Das Halbfinal-Rückspiel zwischen GWD Minden und den Füchsen Berlin wird live bei sportdeutschland.tv, unter anderem via dhb.de/live, übertragen.

Können Sie sich noch an den Gewinn der Deutschen Meisterschaft 1995 erinnern?

Oh ja. Das war eine prägende Zeit. Ich habe zwar in diesem Jahr bereits voll bei den Männern in der 2. Bundesliga gespielt und trainiert, aber für mich war es von vorneherein klar, dass ich ab den Spielen um die Westfalenmeisterschaft für die A-Jugend auflaufen werde. Wir hatten eine super Mannschaft mit vier Jugendnationalspielern. Und deswegen wollten wir alles dafür geben, diesen Titel zu gewinnen. Es war für mich und für alle in der Mannschaft eine ganz besondere Motivation.

War der Weg zum Titel vor mehr als 20 Jahren leichter als heute?

Ich denke schon. Mitte der Neunziger hatten die Bundesligisten allesamt keine Nachwuchsleistungszentren. Es war deshalb auch für einen relativ kleinen Verein möglich, sich bis ins Endspiel vorzukämpfen und vielleicht auch den Titel zu holen. Im Finale haben wir dann gegen den TV Kirchzell gewonnen. Auf der anderen Seite hat zum Beispiel Heiko Grimm gespielt. Der wurde später ja auch Nationalspieler.

Bedeutet das auch, dass das Niveau gestiegen ist?

Zumindest muss man festhalten, dass heutzutage aufgrund der Leistungszentren ein ganz anderer Aufwand betrieben wird. Das schlägt sich dann natürlich auch auf die Spielstärke der Teams nieder.

Kann man als Verein nur noch mit einem Leistungszentrum mithalten?

Sagen wir es einmal so: Es ist ein enormer Vorteil. Wir bei GWD fahren noch mit einem anderen Konzept. Wir haben eine Wohngruppe und eine hervorragend funktionierende Kooperation mit der NRW-Sportschule „Besselgymnasium“ und somit kein klassisches Internat wie andere Bundesligavereine. Trotzdem hat sich dieses System bewährt und wir gehören nicht erst in den vergangenen Jahren zur Spitze in Deutschland. Auch wenn wir trotz des strukturellen Nachteils mit der Konkurrenz Schritt halten, verfolgen wir ganz konkrete Ziele, um auch ein Internat zu verwirklichen. Denn darauf schauen auch die Nachwuchsspieler. Der Wettkampf, diese für sich zu gewinnen, wird immer härter und setzt immer früher ein. Das Erreichen des Halbfinales bei den A-Jungen und des Viertelfinales bei den B-Jungen ist für uns als Verein natürlich auch eine gute Werbung. Da müssen wir nicht drumherum reden.

Kommen wir noch einmal konkret auf die Deutsche Meisterschaft: Inwiefern bringen diese Spiele den Einzelnen in seiner Entwicklung voran?

Da möchte ich gerne wieder ein Beispiel aus GWD-Sicht nennen. Im Hinspiel gegen die Füchse brach Maximilian Nowatzki wegen einer Verletzung nach nur zehn Minuten weg. Und es sprangen zwei Spieler in die Bresche, die im Saisonverlauf vielleicht nicht so viel oder zumindest nicht immer 60 Minuten gespielt haben. Patrick Mattausch und Bastian Fischedick haben sich in einer schwierigen Situation unter Druck bewährt. So ein Erlebnis stärkt das Selbstvertrauen und motiviert. Auch wenn später nur vereinzelt Spieler den Sprung in die Spitze schaffen, haben viele Spieler den Boden für eine erfolgreiche Karriere bereitet.“

Eine Aussage, die unter das klassische Stichwort „Individuelle Entwicklung“ einzuordnen ist.

Ja sicher. Aber darum geht es ja. Je besser jeder einzelne Spieler ausgebildet wird, desto höher ist auch das Niveau der Mannschaft. Ganz logisch. Aber die jungen Spieler müssen auch in die Situationen gebracht werden, Verantwortung unter schwierigen Bedingungen zu übernehmen. Und in dieser Hinsicht gibt es keine bessere Möglichkeit als eine Deutsche Meisterschaft. Der Grundsatz ist immer noch: Individuelle Entwicklung vor Mannschafterfolg. Das Ziel bleibt: Spieler aus dem eigenen Nachwuchs bis in die Profi-Mannschaft zu bringen.

Die Aufmerksamkeit für die Jugend-DM ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Die Spiele werden oftmals über sportdeutschland.tv live gestreamt. Hätten Sie sich, sofern die technischen Voraussetzungen schon soweit gewesen wären, das auch einmal gewünscht?

Weiß ich nicht. Die Möglichkeiten waren in diesem Maße ja nicht vorhanden. Es war einmal in der Diskussion, ein Halbfinale von der Junioren-WM live bei Sport1 zu übertragen. Aber leider sind wir im Viertelfinale ausgeschieden. Aber es war schon eine unglaubliche Motivation für uns. Leider hat es nicht gereicht.

Könnte die Live-Berichterstattung vielleicht auch hemmen?

Nein. Einige Spieler der Halbfinalisten kommen ja auch schon bei den Profis in ihren Vereinen zum Einsatz. Deswegen kennen sie die Situation mit dem Fernsehen bereits. Und außerdem kann heute jeder auf einfachste Weise Videos drehen und in den Sozialen Netzwerken veröffentlichen. Das machen die Jugendlichen ja auch. Und so haben sie bereits eine Öffentlichkeit. Deswegen denke ich nicht, dass es ein besonderer Ansporn oder eine besondere Belastung für sie ist. Vielleicht eher die Freude daran, dass sie wissen, dass diejenigen, die es nicht in die Halle schaffen und Freunde und Verwandte ihnen bei so einem wichtigen Spiel zugucken können.