Mentoring: Ein Plus für die Trainer*innen-Ausbildung?
Sie ist die höchste Lizenzstufe in der Trainer*innen-Ausbildung im deutschen Handball: die A-Lizenz. In 200 Lerneinheiten und einer Hospitation bildet der Deutsche Handballbund (DHB) Trainer*innen für das Anschluss- und Hochleistungstraining bis zur 1. Bundesliga aus. Seit zwei Jahren ebenfalls Teil der Ausbildung: das Trainer*innen-Mentoring. Was steckt hinter diesem bislang einzigartigen Projekt? Und ist das neue Ausbildungsmodul ein Erfolgsmodell?
Ein Jahr lang Lehrgänge, eine Hospitation im Proficlub und schließlich: die große Abschlussprüfung. Die A-Trainer*innen-Ausbildung des DHB fordert den Anwärter*innen viel sporttheoretisches Wissen und insbesondere trainingspraktische Kompetenz ab – und formt so die Trainer*innen-Talente für den deutschen Spitzen- und Nachwuchsleistungshandball. „Die Qualität unser Trainer*innen-Ausbildung war und ist hoch“, sagt Dr. Patrick Luig, Bundestrainer Bildung und Wissenschaft beim DHB. „Dennoch standen wir vor einigen Jahren vor der Frage: Wie lässt sich die Ausbildung für die einzelnen Trainer*innen-Talente individualisieren?“, so Luig weiter. „Und vor allem: Wie schaffen wir es, die Anwärter*innen nicht nur bestmöglich auf die Prüfung vorzubereiten, sondern vor allem auf den Trainingsalltag danach?“
„Nach der Prüfung erhalten sie selten wieder so offene Rückmeldung“
Die Antwort darauf: ein Mentoring-Programm. Erfahrene Trainer*innen begleiten die Anwärter*innen auf dem Weg zur Prüfung – werden also Mentor*innen. „In der Regel bedeutet das: Die Mentor*innen unterstützen die Mentees bei der Planung, Durchführung und Reflektion von zwei Trainingseinheiten, also in der natürlichen Trainingsumgebung“, erklärt Dr. Patrick Luig. „So können typische Stolperfallen und Handlungsfelder noch vor der Prüfung erkannt und gemeinsam besprochen werden.“ Dass dieses in der deutschen Sportlandschaft bislang einzigartige „Patenprogramm“ tatsächlich mehr Vorteile bietet als die bloße Prüfungsvorbereitung, weiß Erik Wudtke. Wudtke, Co-Trainer der Männer-Nationalmannschaft und Trainer der Jugend-Nationalmannschaft, ist von Anfang an Teil des Mentoring-Teams. „Die Mentees bekommen Feedback von jemandem, die oder der nicht Prüfer*in oder Spieler*in ist. Das hilft sicherlich, denn nach der Prüfung erhalten sie selten wieder so offene Rückmeldung zu ihrem Trainingsstil“, sagt Wudtke.
Das zeigen auch die Ergebnisse aus der Evaluation des Pilot-Durchlaufs im Jahr 2019/2020, der durch Drittmittel des DOSB gefördert wurde. „Die A-Lizenz-Anwärter*innen haben den Ausbildungsbaustein anschließend überdurchschnittlich gut bewertet, sowohl mit Blick auf die Prüfungsvorbereitung als auch auf die persönliche Entwicklung“, sagt Dr. Patrick Luig. Wohl auch, weil das Mentoring-Programm die Trainer*innenausbildung wesentlich individueller mache, schätzt Luig. Denn: Wie intensiv der Austausch zwischen Mentor*in und Mentee ist, ist jedem Gespann selbst überlassen. „Wir setzen mit dem Mentoring-Programm in der Ausbildung nur den Rahmen für die Mentor*innen und Mentees. Wie sie ihn füllen, ist ihnen überlassen. Das schärft die Ausbildung natürlich erheblich auf die einzelnen Anwärter*innen, ihre Probleme und Herausforderungen“, so Luig.
Entscheidend: Die Chemie zwischen Mentor*in und Mentee
So hält es auch Erik Wudtke: Als Mentor filmt der Spitzentrainer seine Mentees bei den Trainingseinheiten und bespricht das Gesehene anschließend mit ihnen. „Andere Mentor*innen halten das sicherlich anders. Wir unterscheiden uns in der Intensität natürlich. Das hängt auch von der persönlichen Komponente, also der Chemie zwischen Mentor*in und Mentee ab“, erklärt Wudtke, der das Mentoring-Programm zusammen mit Dr. Patrick Luig initiiert und entwickelt hat. Für ihn: ein Herzensprojekt. „Wir wollen mit dem Programm natürlich auch eine Botschaft aussenden“, so Wudtke. In Deutschland würden schon lange Spieler*innen-Talente systematisch und gezielt entwickelt. „Diese Entwicklung müssen wir auch den anderen Protagonist*innen des Handballsports ermöglichen, also unseren Trainer*innen und Schiedsrichter*innen. Wir haben große Talente – sie verdienen es, bestmöglich und individuell ausgebildet und vorbereitet zu werden.“
(Silas Schäfers)