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U21-Weltmeister analysierten bereits in der Kabine

10.07.2023

Es sind viele Puzzlestücke, die zum Gold-Triumph der U21-Nationalmannschaft bei der Heim-Weltmeisterschaft führten: enorme Spielstärke auf der Platte, eine verschworene Einheit bestehend aus Spielern und dem Team rund um das Team, ein bestens strukturiertes Umfeld und nicht zuletzt so mancher technische Baustein, der die Vorbereitung auf die wartenden Aufgaben vereinfachte. Beim WM-Gewinn griff beim DHB-Team ein Rädchen ins andere. Ein Rädchen in diesem funktionierenden Getriebe bestand in Hannover, Magdeburg und Berlin seine Feuertaufe: das weiterentwickelte Analyse-System „videocoach". 

DHB-Technologie-Partner „sportimization“ um Geschäftsführer Dr. Jan Philipp Steinbach bietet Deutschlands Handballern ein innovatives, flexibles System, das eine Live-Analyse noch während der Begegnung ermöglicht. „Wir haben das System gemeinsam mit den Trainern entwickelt, bei vielen Länderspielen getestet und freuen uns, dass wir die Technologie jetzt zu diesem Turnierhöhepunkt reibungslos in den Einsatz schicken konnten“, sagt Dr. Patrick Luig, Bundestrainer Bildung und Wissenschaft. 

Ein Klick auf dem Tablet auf der Mannschaftsbank durch Co-Trainer Klaus-Dieter Petersen hat gereicht, und in Sekundenschnelle lagen dem Trainerteam gewünschte Video-Clips vor, die Schlüsselmomente und für die Analyse hilfreiche Szenen aufzeigten. So hatte die DHB-Auswahl ideale Voraussetzungen, um den Spielern bereits in der Halbzeitpause die Sequenzen vorzuspielen, die die Trainer-Worte illustrieren. „Fünf Sekunden nach dem Anfordern erreichte das Video die Bank“, erläutert Jan Philipp Steinbach. 

Der Entwickler der Analyse-Technologie hat selbst eine handballerische Vergangenheit. Als ehemaliger Jugendtrainer des HSV Hamburg und Mathematiker verknüpfte er beide Ebenen. „Die Systeme, die früher existierten waren nicht nur hochpreisig, ich empfand sie auch als kompliziert für den Nutzer. Ich hatte den Anreiz, ein eigenes System herzustellen, die Lücke zu schließen und sowohl den Spitzen- als auch den Breiten- und Nachwuchssport mit einer professionellen Technologie zu erschwinglichem Preis und mit kleinem Aufwand zu bedienen“, erklärt Steinbach, der mit seiner Firma bereits seit dem Jahr 2014 mit dem DHB kooperiert. 

Egal, ob es um das das Abwehrverhalten geht oder um das Wurfbild des gegnerischen Haupttorschützen, besteht die Möglichkeit, die Video-Ausschnitte in thematische Schubladen zu sortieren. Das vereinfachte dem Weltmeister-Trainerteam mit Martin Heuberger, Klaus-Dieter Petersen und Carsten Lichtlein auch die Vorbereitung auf die nächsten Gegner, weil die wesentlichen Eindrücke des Gegners in kompakter Form abgerufen werden können. Das komplette Spiel-Video steht aber natürlich auch weiterhin zur Verfügung. „In der Vergangenheit hat es nach den Spielen immer einige Zeit gedauert, bis das Analyse-Video aufbereitet war. Jetzt können wir quasi live agieren“, zeigt Luig den großen Vorteil auf. 

Steinbach hat ein System auf den Weg gebracht, das den Spitzensportbereich – rund die Hälfte der 1. und 2. Handball-Bundesliga setzen auf seine Technik –, genauso wie die Amateure erreicht. „Auch das Feedback von der Basis ist gut“, berichtet er, weil auch kleinere Vereine ohne große personelle und finanzielle Ressourcen entsprechend agieren können. Steinbach erklärt: „Es ist kein Problem, von der Bank aus Sequenzen anzufordern, die von einer Kamera auf der Tribüne, selbst wenn es eine Go-Pro ist, erfasst werden. Nach einem einfachen Klick auf dem Tablet werden diese automatisch geschnitten und via WLAN in Sekundenschnelle auf dieses übertragen.“ 

Alle deutschen Nationalmannschaften können seit diesem Sommer bei den großen internationalen U-Turnieren genauso auf das System zugreifen wie die Männer und Frauen. In entsprechenden Schulungen werden die Trainer an die Technologie herangeführt. Ein Pool an Analysten wird ihnen dann zur Seite stehen und die wichtigen Vorarbeiten leisten. Bei der U21-Weltmeisterschaft befand sich Dr. Peter Weigel aus der Fachgruppe Handball des Instituts für Angewandte Trainingswissenschaft Leipzig im Einsatz. In enger Zusammenarbeit mit den Trainern gewährleistete er die Verfügbarkeit des wichtigen Videomaterials. „Ein paar Situationen hat Klaus-Dieter Petersen direkt von der Bank aus getaggt, einige habe ich von der Tribüne aus beigesteuert, sodass eine gute Ergänzung stattfand“, beschreibt Weigel die Hand-in-Hand-Arbeit. Bis zu sieben Szenen wurden in der Halbzeitpause der Mannschaft in der Kabine über einen Bildschirm vorgeführt. Diese Zahl zeigt, dass sich das System bei der WM absolut bewährt hat. „Weil die Gesamtanalyse schon kurz nach dem Spiel beendet war, stand den Trainern viel mehr Zeit zur Vorbereitung zur Verfügung. Das war sicherlich ein Vorteil“, findet Weigel. 

Die Videos wurden nicht nur zur klassischen Analyse, sondern auch zur Vermittlung des guten Gefühls für die Spieler eingesetzt. Nach jeder Partie erhielten sie ein Motivationsvideo als Zusammenschnitt aus guten Aktionen aus der vorangegangenen Begegnung. Und von diesen guten Aktionen gab es auf dem Weg zur Goldmedaille einige… 

(RWE)