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Handball, der Sport, der ihm so viel gegeben und bei dem er so viel erreicht hat, war bis ins hohe Alter von 91 Jahren das beherrschende Thema. Der „Lützellindener Bub“, der 1928 in der ehemals eigenständigen Gemeinde Lützellinden zwischen Gießen und Wetzlar geboren wurde, war zeitlebens mit seinem geliebten Handballsport eng verbunden. 1939 besuchte er als Sextaner die Gießener Langemarckschule, späteres Herdergymnasium, und wurde in den letzten Kriegsmonaten 1944/45 als jugendlicher Flakhelfer im Großraum Frankfurt eingesetzt. Die Entbehrungen und Einschränkungen während des Krieges und die Zeit danach haben ihn nachhaltig geprägt, aber hier hat er auch gelernt, wie man in einer Gemeinschaft zusammen Ziele erreichen kann.
Als er mit 20 Jahren beim niederländischen Philips-Konzern in Wetzlar als Fabrikarbeiter seinen Berufsweg begann, dauerte es nicht lange, bis er - autodidaktisch fachlich weitergebildet - mit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten, aber auch aufgrund des kollegialen Umgangs mit der Belegschaft und dem Betriebsrat, schließlich eine Führungsposition im Bereich „Leistung und Lohn“ übertragen bekam. Schon dort fand seine Begabung im Umgang mit Menschen Beachtung. Es war eine hohe Sozialkompetenz, die ihn nicht nur im Berufsleben auszeichnete, sondern die auch bald im dörflichen Vereinsleben genutzt wurde.
Als aktiver Handballer wurde Rudolf Spengler 1957 mit seinem TV Lützellinden, den er als Vorsitzender 17 Jahre lang leitete, im Feldhandball deutscher Vizemeister. In der süddeutschen Auswahl spielte er an der Seite von Bernhard Kempa, wurde zu Lehrgängen beim damaligen Bundestrainer Werner Vick eingeladen und absolvierte später einen „Trainerschein nach dem anderen“. Sehr zum Leidwesen seines TVL wechselte der inzwischen als „Handball-Stratege“ bezeichnete Spengler 1968 als Trainer zum TV Hüttenberg, wo sein Engagement bis 1979 reichte. 1972 gelang ihm der Aufstieg in die zweigleisige Bundesliga. Die Saison 1973/74 schloss der TV Hüttenberg auf Rang eins der Südstaffel der Bundesliga ab. Zweimal hintereinander (1977 und 1978) standen die „Spengler-Buben“ im Endspiel um den deutschen Handballpokal gegen den damals übermächtigen VfL Gummersbach in der Dortmunder Westfalenhalle und in der Gießener Sporthalle Ost.
Auch wenn der TVH die Trophäe nicht nach Mittelhessen holen konnte, qualifizierte sich Spengler mit seiner Mannschaft für den Europapokal der Pokalsieger, weil Gummersbach im Europapokal der Meister startete. Zwei Jahre lang wehte europäische Handball-Luft durch die Hüttenberger Sporthalle, ehe Rudolf Spengler als Co-Trainer von Vlado Stenzel 1978 in Dänemark mit der Nationalmannschaft und Sohn Horst als deren Kapitän Weltmeister wurde.
In den elf Jahren als Vereinstrainer hat er mit ca. 70 Spielern gearbeitet und neben Horst sind dabei auch Richard Boczkowski, Harald Ohly, Günter Böttcher, Uli Schaus und Walter Don Nationalspieler geworden. Wichtig war stets für ihn, wenn die Spieler die ihnen übertragene Rolle im Team auch umsetzten. Die beiden Söhne von Rudolf Spengler, Horst und Wolfram, traten in die Fußstapfen ihres Vaters, wobei Horst als Kapitän der Weltmeistermannschaft und Olympiateilnehmer 1976 in Montreal die größten Erfolge feierte.
Rudolf Spengler galt in seiner erfolgreichen Handballzeit als „Taktikfuchs“ und „Stratege“. Seine Ausstrahlungskraft als Mensch und Trainer bekam charismatischen Charakter. Einen hohen Stellenwert in der Freizeit nahm immer sein Engagement für den 1979 in Ungarn bei einer Handballbegegnung schwer verletzten Weltmeister Joachim Deckarm ein. Mit der 78er-Mannschaft wurden zahlreiche Benefizspiele bestritten, die Joachim Deckarm zu Gute kamen. 25 Jahre organisierte Rudolf Spengler die noch heute jährlichen Treffen des WM-Teams mit Joachim Deckarm.
Zur Gemeinde Hauneck und der Region Osthessen hatte Rudolf Spengler immer eine ganz besonders enge Beziehung. Nicht nur, dass er verwandtschaftliche Bindungen in den Haunecker Ortsteil Oberhaun hatte, Rudolf Spengler war oft Ehrengast der Handballfamilie, ob beim Sportehrentag der Gemeinde Hauneck, dem 100-jährigen Vereinsjubiläum des TV Eitra mit den 78-Weltmeistern, dem Handballstammtisch in der Turnerhütte oder in seiner geliebten Rhön, wo er mit den 78-Weltmeistern die letzte Freizeit nach 25 Jahren mit Joachim Deckarm im Juni 2015 organisierte, unterstützt von Uli Schaus und Reiner Birkel. In der Rhön, genauer im Landgasthaus Kehl in Tann-Lahrbach, wurden er und sein Sohn Horst für ihre herausragenden Leistungen für den Handballsport und für ihren Kameraden Joachim Deckarm mit dem Hessischen Verdienstorden am Bande durch Ministerpräsident Volker Bouffier ausgezeichnet. Eine Würdigung der Lebensleistung von Rudolf Spengler, über die er sich besonders freute. Seinen letzten Ausflug in die Rhön war im August gemeinsam Joachim Deckarm und Handballkameraden wieder ins Landhaus Kehl, auf die Milseburg und zur Enzianhütte. Eine besondere Beziehung pflegte Rudolf Spengler über viele Jahre zu Heiner Schott, dem langjährigen Handball-Abteilungsleiter des TV Eitra. „Rudolf Spengler hat dem hessischen und deutschen Handball viel gegeben. Wir sind dankbar für seine langjährige Freundschaft. Einige unsere Trainer absolvierten bei ihm als Lehrwart des HHV ihre Ausbildung, wie unter anderem Jürgen Kießner, Gerald und Reiner Birkel“, so Heiner Schott über einen großen Sportsmann.
„Rudolf Spengler war eine Handball-Legende und ein Vorbild als Spieler, Trainer und insbesondere als Mensch mit einer hohen sozialen Kompetenz. Unsere Gedanken sind in diesen Tagen bei seinen Angehörigen, denen unsere aufrichtige Anteilnahme gilt“, sagte Haunecks Bürgermeister Harald Preßmann.
(PM/Reiner Birkel)