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Bjarne, Jesper, wie fällt euer Fazit von der Europameisterschaft aus?
Jesper Stumpfe: Es liegen sehr anstrengende, sehr lehrreiche, aber auch sehr spaßige 14 Tage hinter uns, erst mit den U17-Europameisterschaften, dann mit den Senioren-Europameisterschaften.
Bjarne Deiters: Im Großen und Ganzen fällt unser Fazit gut aus. Für die Anzahl der Spiele und der Tage können wir zufrieden sein. Wir haben wirklich viele Erfahrungen gesammelt.
Könnt ihr beschreiben, wie diese zwei Wochen für euch aussahen?
Bjarne Deiters: Es war die größte Europameisterschaft der Geschichte, entsprechend war es auch für uns sehr, sehr anstrengend, weil es mehr Spiele als noch 2017 bedeutet hat. Der Tagesablauf richtete sich für uns komplett nach den Nominierungen. Essen und Ausruhen haben wir zwischen der Spielvorbereitung und dem Pfeifen untergebracht, jeden Abend gab es zudem ein Meeting mit allen Schiedsrichtern.
Jesper Stumpfe: Wir haben an einem Tag maximal fünf Spiele gepfiffen, in der Regel waren es drei. Die Kunst als Schiedsrichter beim Beachhandball ist es, in den zweimal zehn Spielminuten von der ersten Sekunde zu hundert Prozent da zu sein. Man kann nicht, wie in der Halle, erst einmal fünf Minuten reinkommen. Wenn du es beim Beachhandball nicht schaffst, von Beginn an da zu sein, hast du das Spiel eigentlich schon verloren. Als Schiedsrichter kann dir ein Spiel innerhalb von fünf Sekunden völlig entgleiten.
Wie schwierig ist es, an einem Tag mit fünf Spielen immer wieder voll konzentriert zu sein?
Jesper Stumpfe: Das ist in der Tat die größte Herausforderung so einer Europameisterschaft. Wir müssen zwischen Belastung und Entspannung wechseln, wobei es gelingen muss, den Druck vor jedem Spiel wieder aufzubauen. Wenn man ein bis zwei Stunden zwischen den Spielen runtergefahren hat, ist es immens schwierig, zum Anpfiff jedes Mal wieder zu hundert Prozent da zu sein. Dass dir dies bei über 30 Spielen in zehn Tagen gelingt, ist die eigentliche Kunst und macht es extrem herausfordernd, eine konstante Leistung bei hundert Prozent abzurufen.
Welche Schwerpunkte hatte die EHF euch mitgegeben?
Bjarne Deiters: Eine wichtige Vorgabe war die Auslegung des passiven Spieles entsprechend der Beachphilosophie - sprich, das Spiel schnell zu machen. Sonst lag das Augenmerk auf der Bewertung Stürmerfoul bzw. Sechs-Meter-Wurf.
Die Mannschaften haben unisono das gestiegene Niveau gelobt. Wie bewertet ihr das aus Sicht der Schiedsrichter?
Bjarne Deiters: Dem stimmen wir definitiv zu! Gerade, wenn man die EM 2017 mit der jetzigen vergleicht, ist die Spitze zusammengerückt. Es gibt nicht mehr ein oder zwei Favoriten, die den Titel unter sich ausmachen, sondern es haben deutlich mehr Mannschaften stark aufgespielt. Einige haben auch mich persönlich überrascht. Man hat allerdings auch gesehen, dass es Nationen gibt, die gerade erst anfangen. Bei 40 Teams aus 23 Nationen ist das ja auch natürlich; sie mussten bei ihrem ersten großen Turnier Erfahrung sammeln, um darauf aufbauen zu können.
Jesper Stumpfe: Die Entwicklung ist auch ganz klar daran zu erkennen, dass nur eine Medaillenmannschaft von 2017 auch diesmal wieder um Medaillen gespielt hat. Spanien ist als Titelverteidiger bei den Männern sogar in der Hauptrunde ausgeschieden. Das beweist, wie viel in der Spitze gerade passiert. Ich muss allerdings auch Bjarne zustimmen: Wenn man eine EM so stark vergrößert, kommen nun einmal auch Mannschaften dazu, die noch nicht auf diesem Niveau gespielt haben. Das hat man bei den Platzierungsspielen gesehen.
Was für Anforderungen stellt diese enorme Spannbreite für die Schiedsrichter dar? In der Vorrunde trifft so ein Medaillenkandidat auf ein Team, dass Mühe mit einer technischen sauberen Pirouette hat...
Jesper Stumpfe: Das ist wirklich eine große Schwierigkeit, weil man auf der einen Seite die Attraktivität des Spiels bewahren muss, aber menschlich gesehen auch nicht alles abpfeifen will, wenn ein Team ohnehin schon mit zwanzig Punkten zurückliegt. Als Schiedsrichter müssen wir aber natürlich die Neutralität gewährleisten - und das funktioniert nun einmal nicht, wenn man technisch unsaubere Pirouetten ständig mit zwei Punkten honoriert. Wir sind nun einmal bei einer Europameisterschaft sind, dort wird ein gewisses Niveau vorausgesetzt. Man hat im Turnierverlauf auch eine deutliche Verbesserung gesehen; dadurch, dass es wiederholt eben nur einen Punkt gab, wurden die Mannschaften angeregt, die Pirouetten sauberer zu springen.
Zurück zu euch: Was bedeutet es euch, dass ihr für die Europameisterschaft nominiert wart?
Bjarne Deiters: Es ist eine riesige Ehre, wieder dabei sein zu dürfen. Wir sind noch nicht so lange dabei, haben dafür aber schon viel mitbekommen. Es zeigt auch, dass wir an uns arbeiten und dieser Einsatz honoriert wird - nicht nur in Deutschland, sondern auch darüber hinaus.
Jesper Stumpfe: Wir haben uns natürlich sehr über die Nominierung gefreut. Es ist eine Belohnung für die Leistung, die wir in der EBT-Saison bringen. Es ist zudem eine große Freude, gemeinsam mit den vielen sehr, sehr guten Gespannen, die wir in Europa haben, pfeifen zu dürfen. Wir sind eine große Schiedsrichter-Familie, die Kollegen sind zu Freunden geworden.
Was war euer Highlight von der Europameisterschaft?
Jesper Stumpfe: Ich finde es schwierig, ein Highlight rauszuziehen. Wir hatten zum Beispiel das Viertelfinale der Männer zwischen Kroatien und Norwegen. Das war eine große Herausforderung für uns, hat aber natürlich riesigen Spaß gemacht.
Bjarne Deiters: Außerdem haben wir - gerade nach der Jugend-Europameisterschaft - viel Lob von den Kollegen bekommen. Dass unsere Leistung von den Kollegen so positiv wahrgenommen wurde, freut uns natürlich besonders.
Wie geht es in dieser Saison für euch noch weiter im Sand?
Jesper Stumpfe: Wir haben noch einiges vor uns. Für uns geht es direkt im Anschluss an die Europameisterschaft weiter mit der EBT-Saison. Wir sind in Spanien und Holland im Einsatz und werden auch in Deutschland beim EBT-Turnier in Ismaning pfeifen. Wir sind also gut ausgebucht (schmunzelt).
Bjarne Deiters: Eine Woche nach Ismaning steht auch bereits die Deutsche Meisterschaft in Berlin an. Es sind zwar noch keine Nominierungen veröffentlicht, aber wir halten uns das Wochenende mal frei (lacht). Und nach Berlin geht es nahezu umgehend mit der Hallensaison weiter…
(jun)