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Kuttler/Merz: Ein gigantisches Wochenende

08.06.2022

Es war der bisherige Höhepunkt ihrer Karriere – und den haben Maike Merz und Tanja Kuttler mit Bravour gemeistert: Als erste DHB-Schiedsrichterinnen überhaupt und als erstes DHB-Gespann seit 2012 haben die beiden Schwestern vom Bodensee am vergangenen Sonntag ein Frauen-Champions-League-Finale geleitet. Für Kuttler/Merz war es die zweite Nominierung für das Finalturnier in der ungarischen Hauptstadt nach 2019, als sie das Spiel um Platz drei leiteten.

Vor 16.400 Zuschauern in der Budapest Arena setzte sich Titelverteidiger Vipers Kristiansand gegen Rekordsieger Györ (Ungarn) durch. Und die Final-Schiedsrichterinnen erhielten viel Lob für ihre Leistung. Dem schloss sich DHB-Schiedsrichterwartin Jutta Ehrmann-Wolf uneingeschränkt an: „Maike und Tanja haben eine durchweg konsequente und sehr gute Leistung gezeigt. Das Spiel stand stets im Mittelpunkt und die beiden Schiedsrichterinnen waren zu keinem Zeitpunkt im Fokus. So stellen wir uns ein modernes Gamemanagement vor.“

Nachdem Robert Schulze und Tobias Tönnies an gleicher Stelle in Budapest das EM-Finale der Männer geleitet hatten, war das Frauen-CL-Finale somit das zweite Endspiel unter Leitung eines DHB-Gespanns, ein weiterer Grund zur Freude bei Jutta Ehrmann-Wolf: „Wir können im DHB-Schiedsrichterwesen sehr stolz sein, dass die EHF zwei große Finals jeweils mit unseren Top-Leuten besetzt hat. Das Jahr ist aber noch nicht zu Ende und wir alle werden weiterhin alles dafür tun, dass unsere Schiedsrichter*innen weiterhin gut ausgebildet zu solchen Events fahren“

In diesem Interview sprechen Maike Merz und Tanja Kuttler über das Turnier, Ihre Nominierung und Emotionen sowie den Stellenwert des Endspiels für ihre Karriere.

Was waren Ihre wichtigsten und schönsten Erfahrungen beim Finalturnier in Budapest?
Maike Merz: Das gesamte Wochenende in Budapest war gigantisch! Das Final4-Turnier ist bis ins kleinste Detail hochprofessionell organisiert und knapp 16.000 Zuschauer am Finaltag haben den Rest getan. Die beiden Halbfinals am Samstag konnten wir in vollen Zügen genießen – was dort sportlich geboten wurde, war bereits größte Werbung für den internationalen Frauenhandball.

Tanja Kuttler: Der Finaltag selbst war für uns ein Wechselbad der Gefühle – von Vorfreude über Aufregung bis hin zu absoluter Gänsehaut in dem Moment, als die Mannschaften auf die Platte liefen war alles dabei!

Wie überrascht waren Sie von Ihrer Nominierung fürs Finale?
Tanja Kuttler: „Überrascht“ ist das falsche Wort – bereits während der nun zurückliegenden Champions-League Saison 2021/22 wurden wir von der EHF regelmäßig für sehr anspruchsvolle Spiele nominiert. Zudem können wir in der Liqui-Moly HBL Woche für Woche unter Beweis stellen, dass wir dem Druck großer Arenen standhalten können. Auch bei der Frauen-Weltmeisterschaft 2021 in Spanien wurde uns das Vertrauen eines Halbfinals von der IHF zuteil.

Maike Merz: Die Nominierung kam also nicht komplett aus dem nichts – natürlich gibt es aber zahlreiche Schiedsrichter-Gespanne in Europa, die für diese Aufgabe in Frage gekommen wären und sich mit guten Leistungen dafür empfohlen haben. Daher sind wir sehr stolz und dankbar über diese Nominierung.

Bereitet man sich auf ein Champions-League-Finale anders vor als auf andere Spiele?
Maike Merz: Finalspiele sind immer etwas ganz besonderes und bringen ihre eigenen Herausforderungen mit sich. Ganz Handball-Europa schaut auf solch ein Finale – der Druck ist daher immens. Natürlich möchte man da auf alle Eventualitäten bestens vorbereitet sein. Dennoch sollte man versuchen, nichts Grundlegendes zu verändern und seinem eigenen Stil treu bleiben.

Tanja Kuttler: Wir haben uns zur Vorbereitung natürlich die Viertelfinalspiele der Teams angesehen und verfolgen auch während der laufenden Saison sehr viele Spiele, sodass uns die Spielerinnen und Taktiken der Mannschaften natürlich nicht fremd sind. Zusätzlich haben wir uns speziell auf die Herausforderungen der technischen Hilfsmittel vorbereitet, welche bei diesem Event zum Einsatz gekommen sind (Team-Time-Out-Buzzer, Videobeweis, Torlinientechnik), denn hinter jeder Neuerung stecken natürlich auch wieder zahlreiche Regeln, die wir als Schiedsrichter sofort parat haben müssen, wenn es die Situation erfordert.

Wie war die Atmosphäre in Budapest?
Tanja Kuttler: Einfach nur unbeschreiblich. Ungarn ist aus unserer Sicht immer etwas ganz Besonderes – die Menschen leben den Handball! Man findet in der ganzen Arena keinen ungarischen Fan, der auf dem Stuhl sitzt. Aber auch die Fanlager der anderen Teilnehmer haben ordentlich Stimmung gemacht. Beim Einlaufen der Mannschaften mussten wir zugegebenermaßen beide ein Tränchen verdrücken – das war ein unfassbar emotionaler Moment.

Waren Sie mit Ihrer Leistung zufrieden, welche Rückmeldungen haben Sie erhalten? 
Maike Merz: Nach Abpfiff hat keiner über die Schiedsrichter gesprochen – das ist für uns das größte Lob! In solch einem wichtigen und emotionalen Spiel nicht im Fokus zu stehen, die Partie jedoch dennoch zu jederzeit im Griff zu wissen ist das, wofür wir seit vielen Jahren arbeiten. Die Mannschaften waren total fair (insgesamt drei Zeitstrafen in 60 Minuten) und wollten einfach nur Handball spielen – das Tempo war immens und den Zuschauern wurde eine unfassbare Show geliefert.

Es war Ihr erstes internationales Finale, welchen Stellenwert hat das für Ihre Karriere?
Tanja Kuttler: Es ist eine große Auszeichnung ein solches Spiel leiten zu dürfen. Sicherlich war es für kommende Aufgaben hilfreich unter Beweis stellen zu können, dass wir nicht nur dem Spielniveau, sondern auch dem Druck eines solch großen Spiels gewachsen sind. Dennoch geht es im nächsten Spiel wieder bei 0 los – jetzt heißt es fokussiert zu bleiben, die Spannung für die letzten beiden Bundesligaspiele hoch zu halten und nach einer kurzen Sommerpause mit vielen positiven Erlebnissen im Rucksack in die neue Saison zu starten.

(BP)