Magier des Handballwunders
Ex-Bundestrainer Vlado Stenzel. - Foto: IMAGO / Sven Simon
22.07.2024 Verband

Magier des Handballwunders

Vlado Stenzel wird 90 / Als DHB-Bundestrainer 1978 Weltmeister in Kopenhagen

Vlado Stenzel, von 1974 bis 1982 Bundestrainer der Männer-Nationalmannschaft des Deutschen Handballbundes (DHB), vollendet am Dienstag, dem 23. Juli 2024, sein 90. Lebensjahr. Mit Vlado Stenzel als Bundestrainer wurde die DHB-Auswahl 1978 völlig überraschend Weltmeister nach einem 20:19-Sieg im Finale gegen den hohen Favoriten Sowjetunion. Dieses denkwürdige Spiel wird auch als das „Wunder von Kopenhagen“ bezeichnet. Vlaaldo Stenzel hatte seinen Spitznamen als „Magier“ da schon längst weg – nämlich seit dem 17:14-Sieg im (ersten) Qualifikationsspiel gegen die DDR in München, das trotz der anschließenden 8:11-Niederlage in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) zur Teilnahme seines DHB-Teams an den Olympischen Spielen 1976 in Montreal reichte. 

Spätestens mit dem 4. Platz bei Olympia 1976 nach dem 18:21 (11:9, 17:17) nach Verlängerung gegen Polen war Stenzel dann im DHB auf der internationalen Erfolgsspur – schließlich erfolgte seine Verpflichtung als Bundestrainer aufgrund seines grandiosen Goldmedaillengewinns als Coach der jugoslawischen Nationalmannschaft, die bei den Spielen in München 1972 einen hochmodernen Hallenhandball präsentierte, der die Fachwelt damals erstaunen ließ. Das DHB-Team hatte in München dagegen seine Erwartungen nicht erfüllen können. Die Zeit von Werner Vick (1920-2000) als Bundestrainer war endgültig abgelaufen. Sein Nachfolger, der Berliner Sportpädagoge Prof. Horst Käsler (1926-1987), agierte ebenso wenig erfolgreich. Mit Vlado Stenzel kehrte der Erfolg zurück: Seine Mannschaft blieb in 29 Länderspielen hintereinander unbesiegt.  

Betrachtet man das Wirken von Vlado Stenzel in der Rückschau, dann strahlt nicht nur der WM-Titel bis heute im Glanz: Vlado Stenzel hat mit seiner hohen Fachkenntnis, mit seinen bis dahin ungewöhnlichen Trainingsmethoden und mit seinen weitsichtigen Ideen den Handball in Deutschland in den 1970er Jahren entscheidend mitgeprägt und in vielfacher Hinsicht weiter professionalisiert – sei es durch taktische Finessen auf dem Spielfeld oder durch besondere Maßnahmen im „Drumherum“ bis hin zur „erfolgreichen“ Ernährung. Auf seine Initiative gehen auch die Einführung der eingleisigen Männer-Bundesliga 1977 und der Supercup zurück. Dass Vlado Stenzel stets junge Spieler exzellent geformt hat, kann allein dadurch belegt werden, dass „seine“ Olympiasieger 1972 und „seine“ Weltmeister 1978 die jeweils jüngsten Teams aller teilnehmenden Mannschaften waren. 

Tragisch bleibt dagegen das Faktum, dass er mit der bundesdeutschen Nationalmannschaft als amtierender Weltmeister von 1978 wegen des politischen Boykotts nicht an den Olympischen Spielen 1980 in Moskau teilnehmen konnte. Bei der Weltmeisterschaft 1982 in der Bundesrepublik belegte die DHB-Auswahl als Titelverteidiger mit Stenzel „nur“ noch Platz sieben. Kurze Zeit später wurde Simon Schobel (73) sein Nachfolger. Vlado Stenzel war im DHB auch für die Junioren-Nationalmannschaft verantwortlich und hat während seiner Zeit in Deutschland insgesamt 17 Vereinsmannschaften trainiert (u.a. SC Phönix Essen, TV Großwallstadt, HSG Wetzlar, MTV Ingolstadt, den TV Schalksmühle sowie die Frauen des 1. FC Mainz 05). Seinen größten Erfolg erzielte er dabei 1990 mit dem TSV Milbertshofen als DHB-Pokalsieger. Den VfL Bad Schwartau führte er in die 2. Bundesliga. 

Vlado Stenzel wurde in Zagreb (Jugoslawien, heute Kroatien) geboren und war selbst als Torwart im Handball aktiv. Schon mit 18 Jahren spielte er in der jugoslawischen Nationalmannschaft. Mit 20 Jahren übernahm der ausgebildete Chemietechniker seine erste Trainerstation, die er mit drei jugoslawischen Meistertiteln (mit Medveščak Zagreb und RV Crvenka) krönte, bevor er 1969 Coach der Nationalmannschaft Jugoslawiens wurde. 

Im Jahre 2018 ist Vlado Stenzel in seine kroatische Heimat nach Dalmatien zurückgekehrt. Der Handball lässt ihn auch da nicht los. Er berät bis heute er Trainer von Spitzenmannschaften. Auch seine Stimme als konstruktiver Kritiker in seiner Lieblingssportart verstummt dort nicht: „Es ist mir einfach ein Rätsel, warum sich die Experten bei der IHF immer wieder etwas Neues einfallen lassen, was nicht zu Ende gedacht ist.“ Ein Dorn im Auge ist Stenzel „das Spiel 7:6, was ja dann ohne Torwart läuft und so mit der superschnellen Mitte immer häufiger zu leichten Toren führt. Die werden zwar umjubelt, aber wo ist da die Leistung? Ins leere Tor zu werfen, das mag lustig sein und manchmal spannend, aber mit der Grundidee von Handball hat das nix zu tun.“ 

Für den deutschen Handball erhofft sich Stenzel in Zukunft weiter Aufwind: „Deutschland kann und muss wieder richtig erfolgreich sein, darf sich nicht mit so einem Abstand zur Weltspitze zufriedengeben“. Vlados Erfolgsrezept lautet kurz und bündig: „von den Besten lernen!“ Und dann verrät er noch, dass die Dänen ihn nach der WM 1978 „für eine Lehr-DVD geholt haben, die dann landesweit verteilt wurde. Das war vielleicht der Impuls für diese sensationelle Entwicklung bis heute.“ Wer hätte das gedacht: Valdo Stenzel war einst „stiller“ Entwicklungshelfer des dänischen Handballs… 

Anlässlich seines 90. Geburtstages werden sich an die 90 internationale Handball-Koryphäen vergangener Tage zum Gratulieren einfinden – darunter neben den Olympiasiegern von München wie Hrvoje Horvat, Milan Lazarević und Zdravko Miljak auch eine Delegation der 78er Weltmeister mit Heiner Brand, Manfred Hofmann, Kurt Klühspies, Horst Spengler und Gerd Rosendahl. Sie lösen damit ein Versprechen ein, das sie „ihrem“ Vlado anlässlich dessen 85. Geburtstages gegeben haben. Die Glückwünsche des DHB bringen die fünf Weltmeister im Gepäck gleich mit. 

„Ich gratuliere Valdo Stenzel sehr herzlich im Namen von Präsidium und Vorstand zu seinem 90. Geburtstag, wünsche ihm Gesundheit und alles Gute für das neue Lebensjahrzehnt. Gleichzeitig möchte ich mich für das bedanken, was Vlado für den deutschen Handball mit seinen wegweisenden Impulsen geleistet hat. Der Gewinn des WM-Titels 1978 in Kopenhagen mit Vlado als Bundestrainer war damals das größte Highlight in unserer bisherigen Verbandsgeschichte, für die Spieler stellt dieser Erfolg bis heute der Höhepunkt ihrer Karrieren dar. Wir blicken mit Stolz und Dankbarkeit darauf zurück“, gratuliert DHB-Präsident Andreas Michelmann. 

(Prof. Dr. Detlef Kuhlmann – mit Informationen von Michael Franz) 

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