Einheitliche Verbandsmanagementsoftware ab Juli 2026 geplant: Was bedeutet das für Vereine und Spieler?
Großer Digitalisierungssprung im deutschen Handball
Am 16. November steht nicht weniger als eine digitale Revolution des deutschen Handballs zur Abstimmung. Denn auf dem Bundestag des Deutschen Handballbundes (DHB) in Dresden entscheiden die Delegierten über ein Projekt, das den Arbeitstitel Handball360 trägt und den Handballalltag aller in Deutschland aktiven Spieler, Funktionäre, Schiedsrichter und weiteren Personen tagtäglich beeinflussen wird. Handball360 klingt nach allumfassend, nach allen Perspektiven – und dieser Arbeitstitel ist bewusst gewählt. Denn Handball360 bedeutet: Handball-Deutschland soll ein einheitliches Verbandsmanagementsystem bekommen. Also ein neues Tool für die Vereinsverwaltung, das Spielbetriebsmanagement, für alle Ergebnisse und Statistiken – und zwar über alle Landesverbände und den DHB hinweg. „Das ist nicht nur ein technisches Upgrade für alle, sondern eine kulturelle Veränderung und ein klares Bekenntnis, sich gemeinsam auf das Wesentliche im Sinne der Mitglieder zu konzentrieren und sich nicht gegenseitig zu behindern “, sagt Karsten Küter, Präsident des Handball-Verbands Sachsen.
Denn bislang ist die Situation so: Wer durch Deutschland fährt, der durchquert nicht nur 17 Landesverbände, sondern auf der Suche nach Spielplänen, Ergebnissen oder Ansetzungen auch mehrere, dominierende Plattformen: In manchen Landesverbänden informiert man sich über nuLiga, in anderen über handball.net oder die Plattformen der Handball-Bundesligen. Mit Handball4all gibt es noch eine weitere Plattform. Auch die Verwaltung des Spielbetriebs erfolgt über drei unterschiedliche Systeme, die alle nicht kompatibel miteinander sind.
Die Folgen dieses Flickenteppichs sind weitreichend. Die Synchronisation dieser Daten ist fehleranfällig und teuer, es gibt keine gemeinsame Datenquelle, stattdessen zahlreiche Passdoubletten, da Spielerpässe in den Systemen mehrerer Landesverbände auftauchen. Und vor allem: „Wenn es in Deutschland zu einer Änderung bei den Spielrechten kommt, müssen bislang drei Systeme umprogrammiert werden“, erklärt Dr. Knuth Lange, Präsident des Hamburger Handball-Verbands. Das alles ist hochgradig ineffizient. Ein gemeinsames Investieren in ein System, um neue Anwendermöglichkeiten zu entwickeln, ist derzeit nicht möglich.
Das sind die Nachteile aufseiten der Verbände. Auch für Spieler, Funktionäre, Schiedsrichter und Interessierte ist die fehlende Einheitlichkeit ein Nachteil: Wenn ein Spieler umzieht und in einem anderen Landesverband aktiv sein will, sind die Prozesse langwierig und kompliziert. Wer Ergebnisse oder Tabellen verfolgen will, stellt fest: In den Landesverbänden dominieren unterschiedliche Plattformen.
Jeder Aktive bekommt eine Handball-ID
Dass die Landesverbände den DHB mit diesem Ziel beauftragt haben, ist also aus verschiedenen Gründen notwendig. Neben der fehlenden Einheitlichkeit herrscht auch ein großer Bedarf nach einem modernen und schlanken System mit großer Nutzerfreundlichkeit. Die Bestandssysteme verursachen laut Dr. Lange einen hohen Verwaltungsaufwand, da die nach der Logik der Papieranträge funktionieren. Wenn jeder Landesverband sein eigenes System pflegt, fehlt die Perspektive für eine erfolgreiche Digitalisierung des gesamten deutschen Handballs.
Dieser Zustand soll bald Vergangenheit sein. Wenn die Delegierten am 16. November auf dem Bundestag für den Vorschlag von DHB und Landesverbänden votieren, dann kommt ab der Saison 2026/27 ein System für ganz Handball-Deutschland. Und was in acht von zehn Sportverbänden und im europäischen Handball schon Standard ist, kommt auch hierzulande: eine zentrale Handball-ID für jeden Handballer und jede Handballerin in Deutschland. Diese Handball-ID wird der digitale Handball-Ausweis und enthält Spielrechte und Lizenzen. Sie wird die Schnittstelle zu Vereinen und Verbänden und reduziert deutschlandweit die Handball-Bürokratie. „Es handelt sich um ein modernes System, bei dem man sich von jedem Endgerät aus einloggen kann und seine Angelegenheiten wie Passanträge, Trainer- oder Schiedsrichterlehrgänge selbst managen kann“, erklärt Dr. Lange. „Das wird vergleichbar sein zu Portalen wie bei der Bahn-App .“
Im Ergebnis sind alle digitalen Prozesse gebündelt an einem Ort. Für die Handballer, Schiedsrichter, Trainer und Funktionäre wird die Verwaltung deutlich einfacher, weil sie ihre Anträge selbst einpflegen können. Das wiederum führt zu einer Entlastung der Verbände. „Und unter dem großen Strich wird Handball-Deutschland Zeit und Geld sparen“, erklärt Dr. Lange. Der Präsident des Hamburger Handball-Verbands ist wie Küter, Präsident des Handball-Verbands Sachsen, Teil des Lenkungsausschusses, in dem Vertreter von DHB und den Landesverbänden vertreten sind und der das Projekt Handball360 steuert. Küter ergänzt: „Ich verspreche mir vom neuen System, dass die Verwaltung entlastet, die Zusammenarbeit unter den Landesverbänden gestärkt und ein Raum für Innovationen geschaffen wird“, sagt Küter. „Es ist der Schritt vom föderalen Flickenteppich zur digitalen Einheit im deutschen Handball.“
Diesen Weg wollen der DHB und die Landesverbände mit der Firma toools aus Spanien gehen. Das ist das Ergebnis eines offenen und transparenten Auswahlprozesses. Der Auftrag wurde ausgeschrieben und als Hauptanforderungen an die neue Software wurden folgende Punkte definiert: Organisation des sportlichen Wettbewerbs, Spieldatenmanagement und elektronisches Spielprotokoll, Verwaltung von Vereins-, Mannschafts- und Spielerinformationen, Organisation von Pass- und Lizenzwesen und Verbandsorganisation. Die Bewerber wurden zu einer Longlist zusammengefügt und anschließend anonymisiert. Das Ziel: Ohne jegliche Vorprägung den besten Anbieter identifizieren. Daraus ergab sich eine Shortlist. Am Ende gewann das System iSquad von toools. Nun entscheidet auf dem Bundestag das höchste Gremium des Deutschen Handballbundes final darüber, ob das neue System in allen Landesverbänden umgesetzt wird.
Einheitliche Verbandsmanagementsoftware: So geht es weiter
Wie geht es weiter, wenn der Antrag angenommen wird, und was kommt auf Handballer und Vereine zu? Bevor Prozesse effizienter laufen können, wartet auf den DHB und die Landesverbände die große Aufgabe der Daten-Migration von Pässen, Lizenzen oder Hallen in das neue System. „Es wird am Anfang auch ein paar Kinderkrankheiten geben, das ist bei jeder Software-Einführung so und normal“, erklärt Dr. Lange. Auch die Handballer müssen aktiv werden. Um seine Handball-ID freizuschalten, muss sich jeder Handballer in Deutschland einmalig in dem neuen System registrieren. Wer das nicht tut, kann nicht am offiziellen Spielbetrieb teilnehmen. Ein neues System bedeutet immer auch Umstellung: An geübte Prozesse beim Thema Passwesen oder Lizenzen muss man sich erst gewöhnen, die Eingabe der elektronischen Spielprotokolle am Kampfgericht könnte sich leicht ändern.
Doch der DHB und die Landesverbände werden zum einen behutsam vorgehen und zum anderen die Vereine und alle Aktiven hierbei unterstützen. „Wir konzentrieren uns erst einmal auf den Spielbetrieb“, sagt Dr. Lange. „Das ist das Wichtigste, das muss laufen.“ Weitere Module werden dann schrittweise freigeschaltet. Für die Nutzer wird es FAQs und Schulungen geben, DHB und Landesverbände werden auf dem Weg zu einem einheitlich-digitalen Handball-Deutschland auch immer frühzeitig kommunizieren. Es ist der Beginn eines digitaleren Handball-Deutschlands, das auch näher zusammenrückt. Weil es Spielern, Trainern, Schiedsrichtern, Zeitnehmern, Sekretären und Funktionären dabei hilft, tagtäglich den Handball mit Leben zu füllen.
Foto: Kenny Beele