Der „Kempa-Trick“ lebt weiter: Zum Gedenken an Bernhard Kempa
Bernhard Kempa, der Erfinder des „Kempa-Tricks“, einst der beste Handballspieler der Welt und später in der Seniorenklasse mehrfacher Weltmeister im Tennis, wäre am 19. November 100 Jahre alt geworden. Er starb im Sommer 2017 im 97. Lebensjahr an seinem langjährigen Wohnort Bad Boll im Landkreis Göppingen. Anlässlich seines 100. Geburtstages sei schlaglichtartig an das sportliche Leben bzw. die „Doppel-Karriere“ von Bernhard Kempa erinnert – zumal sein Kempa-Trick auf den Handballspielfeldern der Welt bis heute weiterlebt:
Der in Oppeln (Polen) geborene Kempa entdeckte mit 14 Jahren noch in seiner Heimatstadt das Handballspiel, begann aber seine sportliche Laufbahn im Nachkriegsdeutschland zunächst als Fußballer beim TSV 1860 München. Im Jahre 1948 kam er nach Göppingen und schloss sich der Handball-Mannschaft von Frisch Auf Göppingen an. Erste größere Erfolge der jungen Mannschaft mit Kempa als Spieler-Trainer sollten sich bald einstellen: Die „Kempa-Buben“ wurden 1954 mit einem Sieg im Finale gegen Serienmeister SV Polizei Hamburg erstmals Deutscher Meister in der Halle und im Sommer des gleichen Jahres Deutscher Meister im bis dahin in Deutschland viel populäreren Großfeldspiel vorzugsweise auf dem Rasen eines Fußballstadions.
Apropos 1954: Dieses Jahr gilt auch als die Geburtsstunde des berühmten Kempa-Tricks mit Erfinder Bernhard Kempa als Ideen- und Namensgeber. Der Kempa-Trick wurde ganz genau am 24. März 1954 in der Schwarzwaldhalle in Karlsruhe beim Länderspiel der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) gegen Schweden von und mit Bernhard Kempa als Passgeber mehrfach erfolgreich uraufgeführt. Der Kempa-Trick hat seitdem längst Eintrag in deutschsprachige Lexika gefunden und wird dort knapp und konkret „als Ballannahme mit sofortigem Torwurf in der Luft über dem Torraum“ beschrieben. Der Kempa-Trick ist eine „verblüffende“ artistische Bewegungskombination mehrerer Spieler mit dem Ball. Wie es einst zum Kempa-Trick kam, hat Bernhard Kempa zu Lebzeiten immer wieder gern erzählt und in seinen biografischen Büchern (u.a. „Ball ist Trumpf“) ausführlich niedergeschrieben: „Wir haben im Training natürlich unheimlich viel ausprobiert. Das hat damals auch noch viel Spaß gemacht, weil es auf dem Spielfeld für solche Sachen mehr Freiräume gab.“ Seit rund 20 Jahren ist sogar eine ganze Handball-Bekleidungskollektion nach Kempa benannt. Und beim Beach-Handball auf Sand vorzugsweise draußen wird die Kempa-Variante mit doppeltem Punktgewinn belohnt ...
Zurück zu Bernhard Kempa: Nach seinem Staatsexamen als Turn-, Sport- und Gymnasiallehrer 1948 an der Bayerischen Sportakademie in München war er von 1949 bis 1960 als Sport- und Handelsoberlehrer an der Wirtschaftsoberschule in Göppingen tätig. Im Jahre 1960 erhielt er erstmals vom Baden-Württembergischen Kultusministerium einen Lehrauftrag für Sportpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Essingen, wo er später als Oberstudienrat im Hochschuldienst bis zu seiner Pensionierung 1986 lehrte.
Beim Bundesligisten Frisch Auf Göppingen war Kempa bis 1961 aktiv als Spieler (-Trainer) auf dem Feld und in der Halle und dann von 1966 bis 1971 erfolgreich als Trainer (u. a. zweimal Deutscher Meister auf dem Großfeld, siebenmal in der Halle). Danach sah man den 31-fachen Nationalspieler (131 Tore) regelmäßig bei den Heimspielen auf der Tribüne seiner Göppinger Mannschaft und zuweilen auch als Ehrengast bei den Spielen der Nationalmannschaft des DHB. Eine ganz besondere, weil bisher einmalige Ehrung wurde Bernhard Kempa am 6. November 2011 in der Halbzeitpause des Länderspiels Deutschland gegen Spanien im Gerry Weber Stadion in Halle/Westfalen zuteil: Er durfte sich „unter Aufsicht“ vom derzeitigen DHB-Präsident Ulrich Strombach (Gummersbach) mit seiner Unterschrift als erster in das neu geschaffene Goldene Buch des DHB eintragen. Zuvor war ihm u.a. schon das Bundesverdienstkreuz und zweimal das Silberne Lorbeerblatt verliehen worden. Im Jahre 2011 wurde Kempa in die Hall of Fame des deutschen Sports bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe aufgenommen.
Bernhard Kempa ist (bisher) der einzige Mensch der Welt, der es in zwei Ballspielen gleich mehrfach zu Weltmeistertiteln gebracht hat: zweimal mit der Nationalmannschaft im Feldhandball (1952 und 1954) sowie später als Senior dreimal im Tennisdoppel bzw. im Nationen-Cup (mit seinem Partner Walter Kessler) – ganz abgesehen davon errang er weit über hundert (!) nationale und internationalen Titel in beiden Sportarten zusammen – sieht man von seinen weiteren erfolgreichen „Ausflügen“ im Tischtennis, Basketball und Fußball (-tor) einmal ab. Als Handball-Entwicklungshelfer arbeitete Bernhard Kempa u.a. in mehreren Ländern Afrikas, in Japan, Kanada und den USA. Bernhard Kempa war als einst bester Handballer der Welt – wenn der Vergleich gestattet ist – der Fritz Walter (1920-2002) des Handballs und wurde wegen seines Vorbilds an Willenskraft, an Begeisterungsfähigkeit und an Fairness, aber nicht zuletzt auch wegen seiner außergewöhnlichen Spielkultur von französischen Sportjournalisten als „Monsieur Handball“ bezeichnet.
DHB-Präsident Andreas Michelmann würdigte Bernhard Kempa anlässlich seines Todes u.a. mit diesen Worten: „Was der deutsche Handball dem Spieler und Trainer Bernhard Kempa verdankt, ist kaum in Worte zu fassen. Bernhard Kempa hat Handballgeschichte geschrieben und bleibt mit dem nach ihm benannten Kempa-Trick Teil der DNA unseres Sports.“ Willi Daume (1913-1996), erster DHB- und erster DSB-Präsident sowie später Präsident des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland (NOK) und IOC-Mitglied bzw. IOC-Vizepräsident, hatte damals Bernhard Kempa zusammen mit dem Berliner Sportdidaktiker und DHB-Bundestrainer Prof. Horst Käsler (1926-1987) in das (Handball-) Organisationsteam für die Olympischen Spiele in München 1972 sowie beim Olympischen Kongress des IOC in Baden-Baden 1981 berufen.
Prof. Walther Tröger (geb. 1929), langjähriges IOC-Mitglied und NOK-Ehrenpräsident, erinnert sich: „Ich denke gern an die intensive Zusammenarbeit mit Bernhard Kempa zurück. Wir haben sogar einiges gemeinsam, wir sind beide als Jugendliche mit dem Handballspiel angefangen und haben in späteren Jahren zum Tennis gefunden. Bernhard bleibt für mich ein sportliches, aber unerreichbares Vorbild“. Und Walther Tröger fügt mit einem Augenzwinkern hinzu, dass Kempa ihn immer wieder zum Tennis-Doppel überreden wollte und dafür schon eine vielversprechende Spieltaktik parat hatte – Kempa zu Tröger: „Ich stehe hinten und Du rennst vorne“, soll er – als ganz weitsichtgier Regisseur – seinem Spielpartner einst zugerufen haben.
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann