Renate Schubert vollendet am Mittwoch, dem 28. September 2022, ihr 80. Lebensjahr. Renate Schubert, die in Werther (Kreis Gütersloh) in der Nähe von Bielefeld lebt, hat mehr als 50 Jahre in unterschiedlichen Funktionen und auf unterschiedlichen Gebieten im Handballsport gewirkt. Ohne Übertreibung und anderen nahezutreten, kann man Renate Schubert als eine der größten Ideengeberin für den Handball in Deutschland bezeichnen: Sie hat sich wie kaum jemand anders mit praktischen Konzepten, mit einer unendlichen Vielzahl von Spiel- und Übungsformen für die Vermittlung des Handballspiels, hier speziell für Kinder bzw. im Nachwuchsbereich und für Torhüterinnen und Torhüter eingebracht.
Renate Schubert wurde in Hagen geboren und absolvierte zunächst eine Ausbildung mit anschließender Tätigkeit als Technikerin. Von 1967 bis 1971 studierte sie mit dem Abschluss Diplom an der Deutschen Sporthochschule Köln und war von 1971 bis zu ihrem altersbedingten Ausscheiden im Jahre 2005 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Pädagogischen Hochschule Westfalen-Lippe (Abteilung Bielefeld) bzw. nach der Überführung Mitte der 1980er Jahre an der Abteilung Sportwissenschaft der Universität Bielefeld. Hier unterrichtete sie Generationen von Sportstudierenden in den verschiedenen sportpraktischen Fächern (nicht nur im Handball!), gab Seminare und leitete unter anderem Exkursionen im Winter- und Wassersport.
Renate Schubert kam als Kind zur Selbecker Turnerschaft 1896 Hagen, fand als Jugendliche zur Leichtathletik im ASC 09 Dortmund-Aplerbeck mit dem Schwerpunkt Speerwerfen, wo sie Anfang der 1960er Jahre zur nationalen Spitze beim OSV bzw. OSC Dortmund-Hörde gehörte und sogar an der Olympia-Ausscheidung für Tokio 1964 teilnahm. Renate Schubert kam eher „nebenbei“ zum Handball und spielte zunächst Großfeld bzw. Halle auf den drei Rückraumpositionen zuerst bei Fichte Hagen, gab später ein Zwischenspiel im Basketball in Aplerbeck und spielte dann wieder während ihres Studiums auf Vermittlung einer Kommilitonin bei TVD Velbert in der Regionalliga als damals höchste deutsche Spielklasse. Im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeit in Bielefeld wechselte sie dann zur ostwestfälischen Spitzenmannschaft TuS Eintracht Minden. Hier wurde sie (unter anderem mit den damaligen Nationalspielerinnen Karin Wagner, Sigrid Bierbaum, Waltraud Jakob und den Kind-Schwestern Ilona und Veronika) im Jahre 1973 Deutsche Meisterin.
Nach Beendigung ihrer aktiven Karriere war Renate Schubert gleich eine gefragte Trainerin: zuerst Mitte der 1970er bei den Bundesliga-Frauen von Eintracht Minden. Danach übernahm als erste Trainerin in Deutschland Ende der 1970er Jahre die Herren-Mannschaft von Eintracht Minden in der damaligen Oberliga Westfalen, wovon seinerzeit sogar die ZDF-Sportreportage Notiz nahm. Später kamen weitere Mannschaften vorzugsweise im Handballkreis Bielefeld-Herford wie SV Heepen, SC Babenhausen und TuS Brockhagen hinzu. Renate Schubert besitzt alle DHB-Lizenzen und hat auch die EHF-Mastercoach-Lizenz erworben. Doch damit nicht genug:
Renate Schubert machte sich auch verdient als eine äußerst erfolgreiche Trainerin von Landesauswahlen im weiblichen Nachwuchsbereich bis hin zur Bundestrainerin des DHB im weiblichen Jugendbereich. Bis heute pflegt sie zu den Spielerinnen und dem Betreuerteam persönliche Kontakte, die einmal mehr zeigen, dass die Handballfamilie nicht nur auf dem Spielfeld existiert. Bei der Weltmeisterschaft 1993 in Norwegen (22:21 nach Verlängerung gegen Dänemark), wo das erste gesamtdeutsche Frauen-Team (unter anderem mit Andrea Bölk, Sabine Adamik, Michaela Erler und Bianca Urbanke) Weltmeisterinnen wurden, war Renate Schubert für die Videoanalysen zuständig. So ganz nebenbei betreute sie über viele Jahre an der Uni Bielefeld die Hochschulmannschaften im Handball.
Renate Schubert hat sich darüber hinaus in verschiedene Bereiche mit und ohne offizielles Amt beim DHB eingebracht: Sie gehörte zum Beispiel über Jahrzehnte dem DHB-Lehrstab an, war ferner viel gefragte Referentin in der Torwarttrainer-Ausbildung sowie bei Fortbildungen für Trainer und Sportlehrkräfte; sie hat den Arbeitskreis Kinder bzw. Jugend- und Schulhandball beim DHB ins Leben gerufen und jahrelang geleitet, sie hat die beliebten bundesweit ausgeschriebenen Kinderhandball-Workshops beim DHB initiiert und dort auch immer referiert. Von ihr stammen die Hanniball-Medaille und das Handball-Spielabzeichen des DHB für Kinder. Den Arbeitskreis der Handball-Fachleiter an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen hatte sie in der Nachfolge von Ex-Bundestrainer Prof. Horst Käsler (1926-1987) übernommen und mit den Tagungen im zweijährigen Rhythmus zu einer Kontinuität wachsen lassen, die es so in keiner anderen Sportart mit Verbandsregie in Deutschland gegeben hat.
Das unerschöpfliche Arbeitsprofil von Renate Schubert für den Handballsport ist nur mit der vielseitigen Fachautorin Renate Schubert einigermaßen vollständig: Mit den von ihr begründeten Handball-Kartotheken einer Gruppe mit dem Namen Bielefelder Handballautoren zum Torwartraining fing 1981 alles an. Inzwischen gibt es solche Kartotheken in fast sämtlichen Sportspielen. Renate hat an insgesamt zehn mitgewirkt; sie gehört seit den Anfängen und bis heute (!) dem Redaktionskollegium der Fachzeitschrift „Handballtraining“ (früher: „Lehre & Praxis des Handballspiels“) an, sogar in der jüngsten Ausgabe ist ein Beitrag zu lesen, an dem sie mitgewirkt hat. Das Fachorgan „Handalltraining Junior“ hat sie mitbegründet und mehrere Handball-Bücher verfasst bzw. herausgegeben, darunter sei der Bestseller „Handbuch Kinderhandball“ stellvertretend für etliche andere genannt. Renate Schubert hat alle ihre publizierten Textbeiträge vermutlich nie gezählt: Sie dürften mit Sicherheit im mittleren dreistelligen Bereich liegen, ganz abgesehen von den arbeitsintensiven Videos und DVDs, die von ihr inhaltlich konzipiert wurden, um den Trainingsalltag in den Vereinen noch vielfältiger zu gestalten.
Alle, die in den letzten rund fünf Jahrzehnten das Handballspiel erlernt haben, kennen entweder Renate Schubert persönlich oder haben irgendwie und irgendwann ihre Ideen ausprobiert oder davon profitiert – der 80. Geburtstag von Renate Schubert ist deswegen ein willkommener Anlass, nicht nur ganz herzlich zu gratulieren, sondern auch einmal für all ihre unzähligen Aktivitäten vor allem für den DHB zu danken.
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
(Der Verfasser hat von 1974 bis 1978 bei Renate Schubert in Bielefeld studiert und ist ihr seitdem fachlich und privat verbunden)