Den Matchball für die Teilnahme an der EM 2020 haben sich die deutschen Handballer in Polen erspielt, in Halle/Westfalen wollen sie ihn am Samstag (14.00/ZDF) verwandeln. "Das wäre wichtig für die Planungssicherheit", sagte Bundestrainer Christian Prokop am Freitag: "Wenn wir das EM-Ticket in der Tasche haben, kann ich in den beiden restlichen Quali-Spielen im Juni (in Israel und gegen den Kosovo, d. Red.) ein bisschen experimentieren und jungen Hoffnungsträgern eine Chance geben. Aber ich mache ungern den zweiten Schritt vor dem ersten."
Denn zunächst muss am Samstag gegen Polen wenigstens ein Remis her, um die Qualifikation für die länderübergreifende EM in Österreich, Norwegen und Schweden unter Dach und Fach zu bringen. "Die Polen haben das Spiel von Mittwoch natürlich auch ausgewertet und ihre Schlüsse gezogen, darauf müssen wir vorbereitet sein", sagte Prokop.
Der Bundestrainer ist ein eher zurückhaltender Mensch, Emotionen lässt er nur spärlich raus. Nach dem Sieg in Gleiwitz machte er allerdings aus seiner Freude keinen Hehl. "Ich habe alles gesehen, was ich sehen wollte", sagte Prokop. Und was vielleicht das Allerwichtigste ist: "Wir hatten so richtig Lust auf Handball."
Daran hat sich auf dem Weg nach Ostwestfalen nichts geändert. "Wir freuen uns sehr auf Halle", sagte Prokop: "Jeder, der da schon mal gespielt hat, weiß, was da jedes Mal für eine sensationelle Stimmung herrscht. Das ist für uns ein Coming Home."
Prokop und seine Mannschaft wollen den 10.400 Zuschauern in der längst ausverkauften Arena gerne "etwas zurückgeben". Es soll allerdings kein reines Happening werden, denn schließlich müssen die unangenehm zu spielenden Polen auch erstmal kontrolliert werden. Außerdem hat Prokop in Gleiwitz "noch Luft nach oben" gesehen: "Es gibt durchaus Verbesserungspotenzial."
Zum Beispiel im Positionsangriff, der wie schon bei der WM im Januar unter seinen Möglichkeiten blieb. Nach dem Kreuzbandriss von Martin Strobel im WM-Spiel gegen Kroatien fehlt die ordnende Hand des klassischen Mittelspielers, der den Rückraum und den Kreis optimal zum Einsatz bringt. In Gleiwitz versuchten sich abwechselnd Paul Drux, Fabian Wiede und Steffen Weinhold als Regisseur, ohne die ganz großen Akzente setzen zu können. "Wir haben uns im Angriff für Samstag ein paar neue Aufgaben gestellt", sagte Prokop.
Ein Glanzlicht bleibt die Abwehr, die in Gleiwitz sowohl in der 6:0- als auch in der 3-2-1-Formation mit einem vorgezogen Hendrik Pekeler wieder mal ein Bollwerk war. Tore am Fließband liefert die Flügelzange mit Kapitän Uwe Gensheimer auf Links- und Patrick Groetzki auf Rechtsaußen. Beide profitierten von dem herausragenden Tempospiel, häufig eingeleitet von den Torhütern Andreas Wolff und Silvio Heinevetter.
Gensheimer peilt am Samstag einen weiteren Meilenstein seiner Karriere an. Mit 818 Treffern aus 171 Länderspielen liegt er in der ewigen Torjägerliste des DHB hinter Frank-Michael Wahl (1412 Tore/344 Länderspiele), Christian Schwarzer (966/319) und Florian Kehrmann (822/223) auf Platz vier, Kehrmann ist am Samstag für ihn in Reichweite. Abwehrrecke Hendrik Pekeler findet das ebenso wie Gensheimer selbst nicht so wichtig: "Wenn er jetzt die Chance hätte, Frank Wahl an der Spitze abzulösen, würden wir alle für ihn spielen. Aber so ist das doch eher nebensächlich."
Quelle: SID