Ein Dutzend Kamerateams, knapp 100 Journalisten - spätestens als Christian Prokop den proppenvollen Saal betrat, wusste der Bundestrainer: Das Vorgeplänkel ist vorbei, jetzt wird es ernst! "Ich spüre, dass ich die Mannschaft nur noch loszulassen brauche", sagte Prokop voller Vorfreude auf den WM-Start der deutschen Handballer am Donnerstag (18.15 Uhr/ZDF) gegen das vereinte Team Korea.
In die Euphorie mischte sich wenige Stunden vor dem Eröffnungsspiel in Berlin aber auch eine gehörige Portion Nervosität. "Das ist menschlich, dass wir solche Gefühle verspüren", sagte Prokop auf dem Podium am Hackeschen Markt. Aufgrund des außerordentlich hohen Interesses mussten bei der Pressekonferenz gleich drei Konferenzräume zusammengelegt werden. Die große Erwartungshaltung sei aber "kein Problem", versicherte Prokop, "wenn man das mit Vorfreude kombiniert".
Und diese Vorfreude ist nicht nur beim Coach zu spüren. Zwölf Jahre nach dem legendären Wintermärchen im eigenen Land wollen Torhüter Andreas Wolff und Co. zurück auf den Handball-Thron. "Wir sind motiviert, unsere eigene Geschichte zu schreiben. Wir haben eine Heim-WM, da wollen wir das Maximale erreichen", sagte Wolff. Das Interesse sei "unglaublich hoch, und wir haben unheimlich Bock auf das Turnier". Auch Abwehrchef Finn Lemke versicherte, dass die Spannung "zum Greifen" sei. "Wir werden alle viel Spaß haben." Rückraumspieler Steffen Weinhold meinte treffend: "Alle haben das Reden satt."
Die Verbandsspitze deklarierte das Auftaktmatch unterdessen zur "schwierigen" Pflichtaufgabe. Die Partie solle als "Dosenöffner" wirken auf dem Weg zum Minimalziel Halbfinale, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning: "Wir erwarten, dass wir einen begeisternden Handball spielen, dass wir eine klare Handschrift sehen, die Mannschaft brennt und dass der Funken auf das Publikum überspringt."
Arrivierte Kräfte wie Kapitän Uwe Gensheimer oder Europameister Wolff und Keeper Silvio Heinevetter wollen genauso dazu beitragen wie frische Kräfte, zu denen Turnier-Neuling Franz Semper oder Bundesliga-Toptorjäger Matthias Musche zählen. Die Euphorie im Land ist riesig: Mehr als eine halbe Million Tickets sind für die deutschen Spielorte Berlin, Köln, Hamburg und München bereits verkauft. Zusammen mit den 350.000 abgesetzten Karten von Co-Gastgeber Dänemark bedeutet das einen neuen WM-Rekord.
2007-Weltmeister Henning Fritz warnte aber davor, den hohen Druck vor eigenem Publikum zu unterschätzen. "Es kann beflügeln und hemmen", sagte der frühere Weltklasse-Torhüter dem Mannheimer Morgen: "Der Kopf spielt einfach eine unheimlich große Rolle." Bei Weltmeisterschaften war der Heim-Nimbus zuletzt stets von Vorteil: Seit 2005 schafften es alle sieben Gastgeber, 2015 sogar der damalige Handball-Zwerg Katar, mindestens ins Halbfinale. Deutschland (2007) und Frankreich (2017) gewannen sogar den Titel.
"Natürlich, das wollen wir schaffen", sagte Gensheimer: "Wir wollen mit unserer Leistung einen Hype auslösen. Für uns als Spieler ist es ein Privileg, eine Weltmeisterschaft im eigenen Land spielen zu dürfen. Wir wollen auch unserer Sportart einen Push geben und den allgemeinen Sportfan zu einem Handballfan machen."
Quelle: SID