Hamburg Meister der ersten Stunde
Vor 75 Jahren: Polizei SV Hamburg gewinnt Endrundenturnier in Berlin
Vor etwas mehr als 75 Jahren – ganz genau am Samstagmorgen des 1. Oktober 1949 – wurde in Mülheim an der Ruhr der Deutsche Handballbund (DHB) gegründet. Es sollte nur wenige Monate dauern, bis in der Regie des jungen DHB erstmals ein Deutscher Meister ermittelt wurde – nämlich im Hallenhandball, wie man damals noch in Abgrenzung zum Feldhandball zu sagen und zu schreiben pflegte:
Am Freitag, dem 17., und Samstag, dem 18. Februar 1950, fand in (West-) Berlin in der Sporthalle am Funkturm (Messegelände) in Turnierform die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft der Männer statt. Die Frauen folgten erst 1958 mit einer Endrunde in Frankfurt. Gespielt wurde damals im Modus „jeder gegen jeden“ mit fünf Teams und bei reduzierter Spielzeit von 2 mal 20 Minuten. Bei manchen Hallenturnieren damals war die Spielzeit sogar noch geringer bis zu 2 mal 7,5 Minuten.
Die fünf Mannschaften bei der ersten Deutschen Meisterschaft des DHB hatten sich als Sieger über die jeweiligen Regional- und Landesverbände für Berlin qualifiziert. Erster DHB-Titelträger wurde die Mannschaft des Polizei SV Hamburg mit dem späteren DHB-Bundestrainer Werner Vick (1920-2020), der seinerzeit als Spielertrainer für den PSV aktiv war und selbst zwei Tore beisteuerte. Erfolgreichster Torschütze neben dem herausragenden Torwart Heinz Singer (1923-2020) war Otto Maychrzak (1927-2002) mit elf Treffern. Diese Aktiven gehörten zur ersten Generation der DHB-Nationalspieler. Den älteren Handballern sind diese Namen aus der Anfangszeit des DHB immer noch geläufig. Bei dem Turnier in der Sporthalle am Funkturm, die am zweiten Spieltag mit 6.000 Gästen sogar ausverkauft war, soll der wurfgewaltige Otto Maychrzak übrigens seinen Spitznamen „Atom-Otto“ erhalten haben, nachdem ein Torwurf von ihm von der Torlatte mit einer geradezu „atomaren Wucht“ bis in den eigenen Torkreis zurückprallte.
In der Abschlusstabelle des ersten DHB-Turniers im Winter 1950 belegte der Berliner SV 92 Rang zwei, gefolgt von Grün-Weiß Frankfurt, der TSG Haßloch und dem RSV Mülheim. Die Deutschen Meisterschaften wurden in der Bundesrepublik nach 1950 jährlich in jenen Städten ausgetragen, die über spielfähige Hallen mit ausreichenden Zuschauerkapazitäten verfügten. Davon gab es in der Nachkriegszeit nicht viele. 1951 war der DHB in der Halle Münsterland in Münster zu Gast, danach in der Kieler Ostseehalle, dann im Eisstadion von Krefeld usw. Der Polizei SV Hamburg konnte die Deutsche Meisterschaft bis 1953 ununterbrochen insgesamt viermal gewinnen, wurde erst 1954 und 1955 von Frisch Auf Göppingen abgelöst, bevor der Berliner SV 92 und der THW Kiel erstmals den Titel errangen. Danach begann eine zweite große Ära von Frisch Auf Göppingen mit weiteren fünf Titeln: nämlich von 1958 bis 1961 in Folge und dann nochmals im Jahre 1965. Namen wie Bernhard Kempa (1920-2017) als Spieler und Trainer, Torwart Anton Burkhardsmaier, Edwin Vollmer (1933-2024) und der des bald 90-jährigen Horst „Spatz“ Singer klingen bis heute immer noch nach. Ganz Handball-Deutschland sprach damals von den glorreichen Göppinger „Kempa-Buben“.
Apropos 1965: Am 14. März 1965 wurde der Deutsche Meister im Hallenhandball der Männer erstmals in einem „richtigen“ Endspiel über 2 mal 30 Minuten ermittelt. Dieser Modus galt für die gesamte Endrunde mit acht Mannschaften, deren Spiele zuvor an verschiedenen Orten ausgetragen wurden. In der Halle VI auf dem Killesberg in Stuttgart gewann Frisch Auf Göppingen im Finale gegen Grün-Weiß Dankersen (heute GWD Minden) mit 13:12 (4:7).
Was die Spielweise angeht, wurde damals noch in einer „anderen Handball-Liga“ gespielt. Das spiegelte sich nicht zuletzt in den deutlich niedrigeren Resultaten gegenüber heute wider. So soll zum Beispiel das Kreisläuferspiel (mit dem sogenannten „Pivot-Mann“) erst in den 1950er Jahren in Schweden erfunden worden sein. Diese Spielerposition hat sich allerdings bis heute bewährt… genauso wie übrigens der berühmte „Kempa-Trick“, der seit seiner Uraufführung im März 1954 in der Schwarzwaldhalle von Karlsruhe immer wieder gern gespielt und von den Handball-Fans mit viel Applaus bedacht wird. Und einen Deutschen Meister in der Halle gibt es immer noch: Wer wird das wohl in diesem Jahr … 75 Jahre nach der DHB-Gründung? Abwarten.
Und was die Deutsche Meisterschaft 1950 in der DDR angeht, sind folgende Fakten überliefert: Die DDR-Meisterschaft wurde ebenfalls in Turnierform ausgetragen. Das Endspiel fand am Sonntag, 22. Januar 1950, in der Leipziger Messehalle statt: Der SC Berlin-Weißensee besiegte die BSG RFT Gera mit 5:4 nach einer Spielzeit von 15 Minuten. Dieser Titel wurde jedoch noch nicht vom Deutschen Handballverband (DHV), sondern über die Sektion Handball des Deutschen Turn- und Sportverbandes (DTSB) der DDR vergeben. Der DHV der DDR wurde bekanntlich erst am 21. Juni 1958 in Halle (Saale) gegründet.
(Prof. Dr. Detlef Kuhlmann)