In der Kultstätte Westfalenhalle sollen Kinderträume wahr werden
Foto: Jörg Schimmel

In der Kultstätte Westfalenhalle sollen Kinderträume wahr werden

19.08.2025 | Verband

 

100 Tage vor Heim-WM: Spielerinnen und Bundestrainer über Ziele, Momente und Fan-Power

 

100 Tage bis zum WM-Eröffnungsspiel am 26. November in Stuttgart gegen Island – und 113 Tage bis zum erhofften „Traumspiel“ in Dortmund. Wenn am 9. Dezember die beiden Viertelfinals der Frauen-Weltmeisterschaft in der Westfalenhalle vor erhofften 10.000 Fans über die Bühne gehen, will die deutsche Mannschaft stehen – und dann das Ticket für das WM-Halbfinale in der Ahoj-Arena in Rotterdam buchen. 

Dabei setzten alle Beteiligten beim DHB-Medientermin in Dortmund am Montag auf den „X-Faktor und Mythos Westfalenhalle“ – wie zum Beispiel Dortmunds WM-Botschafterin Clara Woltering: „Diese Arena ist ein ganz besonderer Ort, wo Geschichte geschrieben wurde. Wir wollen unsere Geschichte dort weiterschreiben“, sagt die 222-fache Nationalspielerin und langjährige Torfrau von Borussia Dortmund: „Ich weiß, wie die Atmosphäre dort ist, wie die Fans die Fans die Mannschaft nach vorne peitschen werden – das wird noch größer als die Heim-WM 2017.“ 

Auch BVB- und DHB-Kreisläuferin Lisa Antl denkt an jene Rekord-Europapokalspiele mit der Borussia vor über 10.000 Fans gegen Siofok und Sola in eben jener Westfalenhalle zurück: „Das kennen wir Frauensportler nicht und das ist in der Handballwelt etwas Einzigartiges. Gerade in so einer Halle, vor so einer Kulisse, diese schwarz-gelbe Wand, das war beeindruckend. Ich kann es daher kaum erwarten, das wieder zu erleben. Hier zu spielen, grenzt schon an Suchtgefahr, weil man das immer wieder haben will. Das, von dem man als Kind geträumt hat, kann hier wahr werden. Und dafür wird alles reingelegt - mit dem Schwung der 10.000 auf den Rängen bis nach Rotterdam.“ 

Für Bundestrainer Markus Gaugisch war die 100-Tage-Marke auch so etwas wie der nächste Startschuss in Richtung WM: „Ich bin kein Freizeitmensch, ich brauche Handball, keinen Urlaub. Und daher freue ich mich, dass es am Samstag mit dem Super Cup wieder losgeht, dann folgen Liga und Champions League – und im September geht es dann mit dem Nationalteam weiter.“  

Am 19. September (in Eindhoven) und 21. September in Krefeld geht es zweimal gegen die Niederlande – die nächste Standortbestimmung nach den Testspielen gegen Weltmeister Frankreich im März und den Olympiadritten und EM-Zweiten Dänemark im April. Mit dem Sieg im dänischen Aabenraa gelang der DHB-Auswahl dabei auch der lange ersehnte Erfolg gegen eine Mannschaft aus der absoluten Weltspitze. 

„Mit dem Saisonstart ist der Zeitpunkt gekommen, um Spannung aufzubauen, denn im Spätherbst denkst du als Nationalspielerin nie an Weihnachten, sondern immer an das Turnier im Dezember – vor allem dann, wenn das eine Heim-WM ist. Wenn ich jetzt nicht eine andere Rolle hätte, würde ich liebend gerne auf dem Feld stehen“, meint die DHB- und BVB-Torwarttrainerin Woltering, die zudem in Westfalen als Agrartechnologin einen großen Familien-Bauernhof managt. 

Gaugisch und sein Team zogen viel Kraft und Team spirit aus dem Sommerlehrgang im „Sehnsuchtsort“ Rotterdam im Juli. „Alle haben sehr gut mitgezogen“, sagte der Bundestrainer, für dessen Team nach den beiden Testspielen gegen die Niederlande im Oktober zwei EM-Qualifikationsspiele gegen Nordmazedonien am 16. Oktober in Gummersbach (19.30 Uhr, Karten unter dhb.de/tickets) sowie am 18./19. Oktober im belgischen Hasselt anstehen.  

„Die Niederlande gehören zu den Gegnern, die vor uns im Ranking stehen, und mit denen wir uns messen, um besser zu werden, Nordmazedonien und Belgien liegen hinter uns – da wird es andere Schwerpunkte für die Mannschaft geben“, sagt Gaugisch. In den finalen WM-Vorbereitungslehrgang sind dann noch zwei Testspiele gegen die Schweiz integriert – das Hinspiel ist am 20. November in Schaffhausen, das Rückspiel zwei Tage später in Göppingen. „Wir müssen jede Minute nutzen, denn wir haben nicht viel Zeit“, sagt der Bundestrainer. 

Vier Tage danach folgt am 26. November das WM-Eröffnungsspiel gegen Island in der Stuttgarter Porsche-Arena, gefolgt von den Vorrundenduellen gegen Paraguay (28. November) und Serbien (30. November). Die drei besten Teams dieser Gruppe qualifizieren sich für die Hauptrunde in Dortmund, wo dann drei Gegner aus der Trierer Vorrundengruppe mit Montenegro, Spanien, den Färöer und Paraguay warten. Hauptrundenspieltage im „Handballtempel“ Westfalenhalle sind der 2., 4. und 6. Dezember.  

Die Sieger und Zweiten der beiden Dortmunder Gruppen ermitteln in den Viertelfinals am 9. Dezember in der Westfalenhalle zwei Halbfinalteilnehmer. „Wir wissen schon, dass es Schritt für Schritt geht und trotzdem ist dieses Viertelfinale natürlich absolut im Hinterkopf. Es wäre gelogen, wenn man es etwas anderes sagt“, meint Spielmacherin Alina Grijseels. 

Spielerinnen und Bundestrainer wissen aber auch, dass es in einem potenziellen Viertelfinale in Dortmund wohl gegen eine Mannschaft geht, die vor der DHB-Auswahl platziert ist, zum Beispiel Norwegen oder Schweden: „Wir träumen vom Halbfinale in Rotterdam, daher müssen wir in dieses Spiel alles hineinlegen“, sagt Grijseels. 

Dabei setzt Gaugisch besonders auf die Fans: „Was mich auch bei den vergangenen Spielen in Trier und Hamburg gefreut hat, war der tolle Support von den Rängen. Jeder Fan muss in Stuttgart und Dortmund für uns brüllen, diese Unterstützung kann in engen Spielen den Ausschlag über den Sieg geben. Und ich spüre, dass – auch wegen der DHB-Kampagne ‚Hands up for more‘ - die Begeisterung für Frauenhandball immer größer wird.“ 

Für die WM hofft Gaugisch daher auf den „Ungarn-Effekt“. Als Co-Gastgeber der EM 2024 hatte die Begeisterung der Fans die Mannschaft bis ins Halbfinale in Wien getragen, wo Ungarn dann die Bronzemedaille gewann. „Sie sind durch die Fans über sich herausgewachsen, das erhoffe ich mir für uns auch.“ Das sieht Grijseels ähnlich: „Gerade in der Westfalenhalle überträgt sich die Atmosphäre direkt von den Rängen aufs Feld, das gibt dir Extra-Power“, sagt die Rückraumspielerin, die mit Dortmund ebenfalls vor 11.112 Fans im Europapokal gegen Siofok sowie mit dem Nationalteam gegen Ungarn in der Olympiavorbereitung auf Paris in der Handball-Kultstätte gespielt hatte.  

Gaugisch denkt beim Stichwort Westfalenhalle nicht nur an die berauschenden Spiele der Männer-Heim-WM 2007, sondern noch weiter zurück and Fernsehübertragungen von Europapokal- und Länderspielen in den 1980-er Jahren: „Die Westfalenhalle steht für Tradition und Geschichte – und wir wollen diese Geschichte zum 100. Jubiläum der Halle weiterschreiben.“ Das unterschreiben Spielmacherin Grijseels und Torfrau Sarah Wachter sofort: „Es ist eine sehr geschichtsträchtige Halle, die schon viele Schlachten erlebt hat und ich hoffe, dass wir dann hoffentlich vier Spiele in der Halle vor voller Kulisse haben und das für uns nutzen können“, sagt Grjseels. „Die Atmosphäre in dieser Halle ist unglaublich, daher ist hier richtig viel möglich. Die Fans können uns hier richtig pushen, deswegen freue ich mich unglaublich auf die Spiele hier“, ergänzt Wachter.  

Der WM-Fokus der DHB- und BVB-Torfrau geht erstmal auf das Eröffnungsspiel gegen Island: „Weil ich aus Stuttgart komme, freue ich mich auch total auf die Spiele dort. In Stuttgart und Dortmund will ich jeden Moment aufsaugen und genießen – aber natürlich habe ich im Hinterkopf, dass wir alle nach Rotterdam möchten. Was den Druck betrifft – mich persönlich bringt er weiter. Nur so weißt du, dass es wichtig ist und dass es um deinen Traum geht. Mit den Fans im Rücken wird das hoffentlich ein positiver Druck.“