Horst Singer im Jahr 2024 bei einem Bundesliga-Spiel von Göppingen. - Foto: Imago Images/Pressefoto Baumann
Horst Singer im Jahr 2024 bei einem Bundesliga-Spiel von Göppingen. - Foto: Imago Images/Pressefoto Baumann

Der Mann des ersten Kempa-Tors

28.02.2025 | Verband

 

Feldhandball-Weltmeister und Göppinger Linkshänder-Legende Horst Singer von 1955 wird 90 

Vor 70 Jahren wurde er in Dortmund Weltmeister im Feldhandball. Da war er mit 20 Jahren der mit Abstand jüngste Spieler im Team der Nationalmannschaft des Deutschen Handballbundes (DHB): Am kommenden Sonntag, 2. März 2025, vollendet Horst („Spatz“) Singer an seinem Wohnort in Göppingen das 90. Lebensjahr. 

Horst Singer wurde in Ulm geboren – daher resultiert auch sein Spitzname „Spatz“ in Anlehnung an das Wahrzeichen der Stadt. Horst Singer wuchs in Göppingen auf und kam mit zwölf Jahren zum Handball bei Frisch Auf. Mit der A-Jugendmannschaft wurde er 1951 Württembergischer Meister. Eine Deutsche Jugend-Meisterschaft gab es damals im DHB noch nicht – aber: Als 19-Jähriger war Horst Singer 1954 mit Frisch Auf Göppingen erstmals Deutscher Meister auf dem Feld und in der Halle gleichzeitig: Rund 7.000 begeisterte Zuschauer verfolgten im Eisstadion von Krefeld das Hallen-Finale der jungen Kempa-Buben aus Göppingen, die den Polizei SV Hamburg mit 10:7 besiegten und damit dessen große Ära als DHB-Abonnementmeister beendeten. „Das Endspiel in Krefeld war im Nachhinein betrachtet mein schönstes Meisterschaftserlebnis“, resümiert Linkshänder Horst Singer heute. 

Dabei war das Jahr 1954 noch in ganz anderer Hinsicht ein besonderes für den jungen Rückraumspieler: Er war nämlich bei der Uraufführung des Kempa-Tricks am 24. März 1954 in der Schwarzwaldhalle von Karlsruhe im inoffiziellen Länderspiel der DHB-Auswahl gegen Schweden einer der beiden Hauptakteure: „Ich lief in Richtung Kreis-Mitte, als Bernhard Kempa von Rückraum-Links den Ball hoch in Richtung Torraum spielte. Nach dem Absprung vor dem Kreis nahm ich seinen Pass in der Luft ganz kurz an und warf den Ball in Richtung Tor“, beschreibt Horst Singer die Geburtssekunden des Kempa-Tricks und darf sich heute mit 90 Jahren immer noch „handballhistorisch“ damit schmücken, das erste Kempa-Tor der Welt erzielt zu haben. Dem sind später natürlich ungezählte weitere aus der linken Hand von „Spatz“ gefolgt. 

Der legendäre Bernhard Kempa (1920-2017) war damals Spieler zusammen mit Horst Singer, später sein Trainer bei Frisch Auf Göppingen und zugleich derjenige, der das große Handball-Talent Singer förderte und forderte: „Bernhard Kempa war ein Glücksfall für Göppingen, er war der beste Handballspieler der Welt auf dem Feld“, schwärmt Horst Singer immer noch. Beide gehörten damals auch zum Göppinger Aufgebot bei der IV. Feld-Weltmeisterschaft 1955 in der Bundesrepublik Deutschland. Das Weltturnier mit 17 europäischen Mannschaften und 33 Spielen in 33 verschiedenen Stadien war zugleich die erste Weltmeisterschaft in organisatorischer Regie des jungen DHB. Im Finale vor rund 50.000 Zuschauern am 10. Juli 1955 im Stadion Rote Erde in Dortmund gewann das DHB-Team mit 25:13 (11:7) gegen die Schweiz ... mit dem damals 20-jährigen Horst Singer als zweifachen Torschützen. Er war 1955 der mit Abstand jüngste Spieler im Team und ist heute mit 90 Jahren der einzige noch lebende und damit der älteste Weltmeister im Handballsport überhaupt. 

Horst Singer bestritt von 1955 bis 1960 insgesamt 23 Länderspiele im damals komplett weißen DHB-Trikot in der Halle und auf dem Feld; dabei erzielte er 68 Tore. Mit Frisch Auf Göppingen wurde der Jubilar sechsmal Deutscher Meister, davon zweimal draußen. Im Jahre 1962 gewann „Spatz“ mit Frisch Auf Göppingen als erste deutsche Mannschaft den Europapokal der Landesmeister. Zwischendurch war Singer während seiner Studienzeit in Berlin für den dortigen BSV 92 mit (Spieler-) Trainer Horst Käsler (später DHB-Bundestrainer) aktiv und wurde unter anderem 1965 Deutscher Studentenmeister mit der FU Berlin. 

Horst Singer, der Spitzenhandballer im Göppinger Trikot mit der Nr. 2, wirkte beruflich als Oberstudienrat am Hohenstaufen-Gymnasium in Göppingen und unterrichtete dort die Fächer Sport und Geografie. Darüber hinaus betätigte er sich mehrere Jahre kommunalpolitisch. Sein sportliches Talent und der unnachahmliche Umgang mit dem Ball ist der Familie Singer mit Tochter Christina erhalten geblieben: Sie machte als Profispielerin im Tennis Karriere, war 1987 Deutsche Hallenmeisterin und erreichte Platz 39 in der Einzel-Weltrangliste.  

Zum 90. Geburtstag, den Horst Singer zusammen mit Ehefrau Helga im kleinen Familienkreis feiert, hat sein Stammverein Frisch Auf Göppingen ein besonderes Geschenk für ihn vorbereitet: Horst Singer wird nach Bernhard Kempa in die neu eingerichtete Hall of Fame von Frisch Auf feierlich aufgenommen. Dazu gibt es jetzt schon einen ganz persönlichen Glückwunsch von einem jüngeren Göppinger Mannschaftskameraden von damals. „Horst war für mich der genialste Spieler seiner Zeit. Immer aktionsschnell, torgefährlich und trickreich. Als Linkshänder nahm er zum Beispiel seinen Gegenspieler nach innen mit und spielte den einlaufenden Rechtsaußen dann hinter dem Kopf mit einem Nackenpass an. Das war sensationell. Das werde ich nie vergessen. Ich wünsche Spatz weiterhin viel Gesundheit und Lebensfreude“, gratuliert der renommierte Bielefelder Sportsoziologe Prof. Dr. Klaus Cachay (78), damals junger Linksaußen im Göppinger Team mit Singer und später viele Jahre im Wissenschaftlichen Beirat des DHB tätig. Die DHB-Handballfamilie schließt sich den Glückwünschen für Weltmeister Horst Singer zum 90. Geburtstag an. 

(Prof. Dr. Detlef Kuhlmann)